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Zuflucht gesucht

„Zuflucht gesucht“ – was hatte ich von diesem Thema unseres neu gestalteten Erwachsenentreffs erwartet? Die Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern in unserer harmonischen Adventszeit zu thematisieren, war sicherlich mutig. Obwohl… wir sind ja nicht bei irgendeinem Kneipenstammtisch, sondern in Kirchenkreisen. Da werden wir uns ja alle schnell einig sein, dass fremdenfeindliche Parolen in Deutschland nichts zu suchen haben, werden die Pegida-Bewegung mit einem Kopfschütteln bedenken und uns vornehmen, gleich morgen in den Schränken noch einmal nach warmer Kleidung oder Spielzeug für die nächste Flüchtlingsunterkunft zu schauen. Dann würden wir uns alle ganz gut fühlen und es bliebe sicher auch noch ein wenig Zeit, den Abend bei Gebäck und Glühwein harmonisch ausklingen zu lassen.

Ja, so hatte ich mir das vorgestellt. Als der Vorbereitungskreis in einer modernen Version der Flucht von Maria und Josef nach Ägypten klar machte, dass auch das Jesuskind gleich nach seiner Geburt auf Asyl angewiesen war, schien dies auch noch aufzugehen.

In der weiteren Diskussion stellte sich aber schnell heraus, wie viele Vorurteile, vor allem aber auch Ängste selbst in kirchennahen Kreisen mit Asylbewerbern und Flüchtlingen verbunden sind. Das hat mich erschreckt.

Es tat aber auch gut zu sehen, wie schnell die Stimmung wechselte, als eine engagierte Ehrenamtliche über ihre gelungene Arbeit in einem Übergangsheim für Asylsuchende in Kupferdreh berichtete. Ganz wertfrei erzählte sie von Menschen, die in ihrer Heimat auf Müllhalden leben oder die misshandelt wurden und von nächtlichen Abschiebungen, aber auch von neugierigen Kinderaugen.

Danach war wirklich jedem Anwesenden zumindest für einen Augenblick klar, wie nötig und lohnend es ist, sich gegenseitig kennenzulernen, um Vorurteile und Ängste abzubauen.

Soweit der Augenblick. Aber – was bleibt nun von diesem Abend? Es bleibt mein Mitgefühl mit jedem Menschen, der sein zu Hause verliert, aus welchen Gründen auch immer. Immer wieder frage ich mich, was alles passieren müsste, dass ich meine Heimat aufgebe und in ein fremdes Land gehe, in dem ich nichts bin, nichts habe und mich noch nicht einmal vernünftig verständigen kann? Das tut niemand freiwillig. Es bleibt meine Überzeugung, dass für pauschale fremdenfeindliche Parolen nirgends auf der Welt Platz ist, und in Deutschland schon gar nicht.

Rücksichtnahme muss von beiden Seiten kommen. Um das zu ermöglichen, dürfen Flüchtlinge nicht in Sammelunterkünften eingepfercht und vergessen werden, sondern müssen die Möglichkeit bekommen, mit uns zu leben, Kontakte zu knüpfen, deutsch zu lernen und sich sinnvoll zu betätigen, damit Integration überhaupt erst möglich wird.

Für uns als Kirchengemeinde bleibt sicher die Frage, wie wir dabei helfen können, Vorurteile und Barrieren abzubauen. Ein erster kleiner Schritt ist mit diesem Abend gemacht. Eine Fortführung der Diskussion ist geplant. Durch unsere Teilnahme an der Stadtteilkonferenz kann eventuell Einfluss genommen werden. Trotzdem ist es sicher noch ein weiter Weg, bis bei uns in Essen aus der Vielfalt verschiedener Sprachen, Kulturen und Religionen wirklich ein Klang wird.

Dr. Wera Wittberger