Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. (Offenbarung 21,6)
Worte aus der Bibel. Die Jahreslosung 2018. Es ist eine ökumenische Tradition, über jedes Jahr ein Bibelwort zu stellen. Wir sind eingeladen, sie zu hören, mitzunehmen und uns auch zwischendurch immer mal wieder daran zu erinnern: „Gott spricht: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“
Diese Worte stammen aus dem letzten Buch der Bibel, der Offenbarung des Johannes. Es ist ein besonderes Buch. Wenn ich es lese, komme ich mir vor, als säße ich in einem großen Theater. Vor mir die Bühne. Der Vorhang ist geschlossen. Noch sehe ich nicht, was dahinter ist. Ich darf gespannt sein. Dann öffnet sich der Vorhang und ich werde mit hineingenommen in die Szene, die sich vor meinen Augen ereignet.
Das Buch der Offenbarung ist vergleichbar einem Vorhang, der sich vor meinen Augen öffnet. Dahinter erkennte ich ganz viele unterschiedliche Bilder und Visionen. Manches erscheint mir wie sieben Siegel, die auch in diesem Buch vorkommen.
Unser Bibelvers stammt aus dem 21. Kapitel. Hier öffnet sich uns ein Blick in die Zukunft: Von einem neuen Himmel und einer neuen Erde ist die Rede. Von der Hütte Gottes bei den Menschen. Gott wird bei ihnen wohnen. Er wird abwischen alle Tränen von ihren Augen. Leid, Schmerz und der Tod wird nicht mehr sein. Ich mache alles neu, sagt Gott. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Und dann folgen unsere Worte: „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“
Ein neuer Himmel und eine neue Erde. Lebendiges Wasser umsonst. Das Reich Gottes. Der Vorhang ist geöffnet. Ich sehe die vielen schönen, stärkenden und tröstenden Bilder! Für Jesus ist das Reich Gottes nicht nur eine zukünftige Größe, sondern etwas, was hier und heute bereits beginnt, etwas das auch vor dem Vorhang beginnt. Die Durstigen sollen hier und heute schon zu trinken bekommen!
Für uns hier in Essen, in Deutschland, in Europa ist es nichts Besonderes, Wasser zu haben. Wir brauchen nur den Hahn aufzudrehen – und schon fließt das Wasser, so lange und so viel wir wollen. Bei uns gibt es Wasser im Überfluss. Die Statistik zeigt: Jeder Bürger verbraucht etwa 130 Liter Wasser pro Tag – davon rund 44 Liter zum Duschen bzw. Baden, 33 Liter für die Toilettenspülung, 5 Liter zum Essen und Trinken. Das sind Durchschnittswerte. Im Vergleich dazu: In einigen Entwicklungsländern müssen die Menschen mit 5 Liter am Tag auskommen, in manchen mit noch weniger.
Menschen, die in diesen trockenen Gebieten unserer Erde leben, hören die Worte der Jahreslosung mit Sicherheit ganz anders als wir.
Aber was bedeuten diese Bibelworte aus dem Buch der Offenbarung für uns, die wir genügend Wasser zur Verfügung haben? Gibt es etwas, wonach wir dürsten? Wonach wir uns sehnen? Wo wir auf dem Trockenen sitzen?
Vielleicht gibt es aktuell gar nichts, wonach wir uns sehnen. Wir sind zufrieden mit dem, wie es ist. Uns geht es gut.
Vielleicht gibt es etwas, was uns schon länger beschäftigt, einen Durst, eine Sehnsucht nach Anerkennung, Glück, Liebe, Wertschätzung, Frieden, Gerechtigkeit?
Die Bibel erzählt viele Geschichten von durstigen und sehnsüchtigen Menschen.
Da gibt es eine Frau aus Samarien, die eine große Sehnsucht nach Liebe hat. Sie lebt in der sechsten Beziehung. Kein Mann hat es geschafft, ihre Sehnsucht zu stillen. In dem Dorf, in dem sie lebt, wird sie für ihren Lebensstil von vielen verachtet. An einem Brunnen trifft sie Jesus. Sie reden miteinander und er spürt ihren ungestillten Durst. Er verhält sich anders als die Dorfbewohner. Jesus verurteilt sie nicht. Er sagt dann den Satz zu ihr: „Wer von dem Wasser trinkt, das ich ihm gebe, wird niemals mehr Durst haben. Es wird in ihm zu einer Quelle werden, die ewiges Leben schenkt“ (Johannes 4,13).
Und da gibt es diesen jungen Mann, der eine große Sehnsucht nach Freiheit und Veränderung hat, der es einfach zuhause nicht mehr aushält. Er verlässt den Hof seines Vaters und zieht in die Fremde. Anfangs geht es gut, dann scheitert er. Er stillt seinen Lebensdurst an Orten, die noch durstiger machen. Die Folge: Mit der Zeit verliert er alles: seine Freunde, sein Vermögen und dann auch sich selbst. Er erinnert sich an seinen Vater. Er erinnert sich an seine Identität und kehrt zurück. Die Umarmung seines Vaters wird für ihn zur Lebensquelle. Bei ihm fühlt er sich mit allem und trotz allem angenommen und geliebt (Lukas 15,11–32).
Der Durst, die Sehnsucht nach Freiheit, Selbstständigkeit, Liebe und vielem mehr, gehört zu uns Menschen. Er lässt uns immer wieder neu hoffen.
Es gibt dabei manches, was kurzfristig unseren Durst stillt. Und dann wieder anderes, das für neuen Durst sorgt.
Jesus begegnet Menschen; er kommt mit ihnen ins Gespräch, hört zu, fragt nach, hinterfragt. Dem, der durstig, sehnsüchtig ist, bietet er an: Lass dich ein auf das Wagnis des Glaubens. Probiere es aus. Du darfst mich beim Wort nehmen: Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. Es sind, wie in der Geschichte der Frau, Worte, die von außen kommen, die ich mir nicht selber sagen kann.
Die Frau erfährt: Es sind Worte, die tragen, die ihr Herz erfüllen, Worte von hinter dem Vorhang, Himmel getränkte Worte. Und bei dem jungen Mann, der auf der Suche nach Freiheit und Unabhängigkeit ist, formieren sich Worte auch zu einer Geste, zu der Umarmung des Vaters. Für ihn wird die Geste zu einem Gleichnis für Gott, der ihn und sein gescheitertes Leben umarmt, ihm damit Hoffnung gibt und seinen Durst nach Leben und Lebendigkeit beginnt zu stillen.
Gottes Angebot steht für alle Durstigen und Sehnsüchtigen: „Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst.“
Präses Manfred Rekowski sagt es in seiner Botschaft zum neuen Jahr trefflich so: „Der Durst, den wir elementar als Durst nach Wasser erleben können, ist im übertragenen Sinne auch ein Durst nach Gerechtigkeit. Der Durst steht darüber hinaus im umfassenden Sinn für unser bedürftiges Leben, für unser beschädigtes Leben, für unser bedrohtes Leben. Lebendiges Wasser umsonst zu haben, bedeutet, am Leben so Anteil zu haben, wie Gott es gedacht hat: Leben in Fülle – gelingendes Leben und friedliches Leben.“
Amen.
Heiner Mausehund
„Wasser ist das B e s t e “ (Pindar.1.Olympische Ode). Herzl.Dank für diese
hochaktuelle Auslegung!