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Uns allen wird das Leben blühen

Der Engel ging zum Grab, rollte den Stein weg und setzte sich darauf. „Fürchtet euch nicht!“ (Matthäus 28,2+5)

Die Frauen sind auf dem Weg zum Grab. Mit ihnen geht ihre Ungewissheit, die Traurigkeit der letzten Tage und nicht zuletzt die Angst vor dem, was da auf sie wartet. Doch statt des übermächtig erscheinenden Felsbrockens wartet ein Engel auf sie. Er sitzt auf dem Stein, den er soeben zur Seite geräumt hat. Vielleicht hat er das mit leichter Hand getan, vielleicht aber auch mit gehörigem Aufwand, mehrmaligem An-setzen, Stemmen und unter Aufwendung seiner ganzen Kraft. Aber es ist geschafft. Endgültig.

Der Eingang ist frei, lässt die frische Frühlingsluft hinein. Der Stein, der eben noch unüberwindbar schien, liegt auf der Seite, gibt den Blick frei, steht nicht mehr im Weg, liegt nicht mehr zwischen unseren Füßen.

Der Engel setzt sich mitten auf den Stein. Setzt sich auf alle Traurigkeit und jede Schwere. Und der Stein verwandelt sich, wird Sitzbank, Ruheplatz, Aussichtspunkt. Der Engel sitzt oben drauf – ich sehe ihn vor mir: mit wippenden Beinen, lächelnd.

So, als wollte er uns einladen, uns dazuzusetzen, miteinander ins Gespräch zu kommen, einander zu erzählen von allem, was uns auf dem Herzen liegt. Gerade heute. Gerade zu Ostern. Gerade in diesen kontaktarmen Zeiten.

Erzählt einander von jedem einsamen Moment, teilt jede noch so kleine Sorge, jede Ungewissheit. Und erinnert euch immer wieder daran, was das Wichtigste war und ist: Fürchtet euch nicht! Habt keine Angst! Denn uns allen wird das Leben blühen. Gerade heute. Gerade zu Ostern. Gerade in diesen kontaktarmen Zeiten.

Wir müssen uns nur daneben setzen, den Blick schweifen lassen und spüren, dass wir trotz allem nicht alleine sind, sondern begleitet und getragen. Wir müssen uns nur daneben setzen und etwas spüren von dieser Leichtigkeit des Getragen Seins in allem, was auch kommt.

Wir lassen einander nicht aus den Augen, auch wenn wir uns kaum noch zu Gesicht bekommen. Wir stehen einander bei, obwohl wir uns nicht nahe kommen können. Wir gehören zusammen, auch wenn wir sehr oft nur für uns sind.

Ich wünsche uns allen, dass wir uns gerade jetzt dazusetzen können und uns anstecken lassen von dieser Leichtigkeit und dieser Lebensfreude, die uns vielleicht auch mit den Beinen baumeln lässt. Denn: Habt keine Angst – uns allen wird das Leben blühen. Gott sei Dank.

Wir beten:

Du, unser Gott,
lass uns singen mit den Fröhlichen
und dir danken
für jedes Lächeln, das uns erreicht,
für alle Heiterkeit und Gelassenheit,
die durch vieles hindurch tragen.

Lass uns singen
für die Traurigen und Einsamen
und dich bitten,
dass Du uns die rechten Worte schenkst,
um aufzurichten und zu ermutigen.

Du, unser Gott,
ich weiß, dass du dir zur Herzen nimmst,
was mir auf dem Herzen ist.

Segen

Der Segen des Ostermorgens
begleite und bewahre dich
in allen Ungewissheiten,
in allen einsamen Momenten,
in jedem glücklichen Augenblick –
und er lasse Dir und dieser Welt
das Leben blühen.
So segne Dich Gott,
der Vater, der Sohn
und der Heilige Geist.

Amen.

Jörg Herrmann

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