Im Fluss der Zeit

Jesus Christus gestern und heute und derselbe auch in Ewigkeit. (Hebräer 13,8)

Die Zeit rast – schon haben wir wieder Februar. Wir haben geradezu das Gefühl, die Zeit verrinnt uns einfach so zwischen den Fingern.

Und doch: unsere Uhren lügen. Es ist unser Leben, das die Zeit letztlich prägt und mit Bedeutung füllt und die Zeit relativiert. Es gibt Momente im Leben, wo die Zeit geradezu still zu stehen scheint – wenn auch nur für einen kurzen Augenblick – vollkommene Glücksmomente, die uns fast aus der Zeit heraus zu nehmen scheinen. Denn die Uhren des Herzens gehen anders als die Uhren der Physiker. Weiterlesen

Babyn Jar – Auschwitz: Vier Bildbeschreibungen

Am 27. Januar ist Holocaust-Gedenktag. Vor nunmehr 75 Jahren wurde das Konzentrationslager Auschwitz von russischen Truppen befreit. Ein Tag um innezuhalten, um zu beten, aber auch um zu handeln, damit das „Nie wieder“, das auf dem Denkmal des KZ Dachau in großen Lettern und in verschiedenen Sprachen steht, keine leere Forderung bleibt. Im Umfeld des Gedenktages finden wieder viele Veranstaltungen statt – auch in Essen.

Vom 19. Januar bis zum 2. Februar ist in der Stephanuskirche in Essen-Überruhr und auf dem Gelände rund um die Kirche die ungewöhnliche Fotoausstellung „Orte der Erinnerung“ zu sehen. Ich zeige dort Fotos aus Babyn Jar und aus Auschwitz. Mir geht es nicht um die reine Abbildung der Realität. Ich ging schmerzhaft nah an meine Motive heran. Ich wollte nicht zeigen, was wir alle längst kennen und doch nicht begreifen können. Oft sind es die Details (der Geschichte), die die Augen öffnen. Weiterlesen

Zweifel – Lebensmittel des Glaubens

Ich glaube; hilf meinem Unglauben! (Markus 9,24)

Als ich die Jahreslosung 2020 in der biblischen Übersetzung nach Martin Luther las, mit dem Wunsch, Ihnen diese wenigen Worte näherbringen zu können, wurden meine Zweifel nach und nach immer größer. Ist dieser Satz „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ wirklich richtig übersetzt? Hat die Bitte: „Hilf meinem Unglauben“ überhaupt einen Sinn?

So habe ich die gesamte Geschichte aus dem 9. Kapitel des Markusevangeliums über den verzweifelten Vater eines kranken Jungen noch einmal gelesen, diesmal in der Neuen Genfer Übersetzung der Bibel (NGÜ). Weiterlesen

Siehe, ich mache alles neu

Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde … Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei, noch Schmerz wird mehr sein … Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu. (Offenbarung 21,1-5)

Heute, am Ewigkeitssonntag, gedenken wir derer, die nicht mehr unter uns sind, gedenken wir derer, mit denen wir verbunden waren. Sie fehlen uns. Und wenn wir heute an den Gräbern stehen, dann steigen viele Erinnerungen in uns auf, an die Mutter, den Vater, den Ehepartner, den Sohn, die Tochter, den Onkel, die Schwester, den Freund, die Freundin.

Wir haben um sie lange getrauert und tun es immer noch, weil ihr Tod ein schmerzlicher Verlust war oder noch ist. Neben dem Gefühl der Trauer steht aber auch noch etwas anderes: die Dankbarkeit. Die Dankbarkeit dafür, dass wir mit diesen Menschen unser Leben haben teilen können, haben teilen dürfen. Sie haben unser Leben reich gemacht. Durch alle gemeinsamen Höhen und Tiefen hindurch haben sie uns und unser Leben geprägt. Weiterlesen

Frieden bleibt unser Auftrag

Vor ein paar Jahren erzählte mir ein älterer Mann aus der Gemeinde, dass sein Vater im Zweiten Weltkrieg an der Ostfront verschollen ist. Er selber hat keine bewussten Erinnerungen mehr an ihn. Doch mit zunehmendem Alter wurden die Fragen nach dem vermissten Vater immer vorherrschender. Ist er gefallen? Ist er in Gefangenschaft geraten? Gehörte er zu den Heimkehrern, die an Entkräftung und Seuchen starben? Wurde er in einem der Massengräber verscharrt? Was geschah mit ihm? Weiterlesen

Orte voller Leben, Erinnerungen und Ruhe

Moos, der ganze Boden bedeckt. Ein grüner weicher Teppich. Meine Schritte federn. Ich wende meinen Blick vom Grün ins Blau, vom Boden in den Himmel. Weiße Wölkchen ziehen über den hellblauen Himmel. Die Vögel zwitschern, die Eichhörnchen huschen durch diese halb künstliche, halb wilde Natur. Es summt bei den Blüten und raschelt im alten Laub. Die uralte Buche trägt stolz ihre hellgrüne Krone. Unter meinen Sohlen knirschen die Bucheckern vom letzten Herbst.

Hier ist gut sein. Auf einer Bank in der Sonne oder voller Staunen unter dem riesigen Buchenschirm, wenn die Regentropfen prasseln. Hier ist es ruhig, aber gleichzeitig voller Leben von Tieren und Pflanzen. Hier ist ein Platz, den ich mag. Hier liegen die Toten. Weiterlesen

Blick nach vorn

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes. (Lukas 9,62)

„Dreh dich nicht um, der Plumpsack geht um; wer sich umdreht oder lacht…‟ Wie oft habe ich als Kind mit anderen zusammengesessen und dieses Spiel gespielt. Und ich weiß noch sehr genau, wie schwer das war, sich nicht umzudrehen. Manchmal hat man versucht, nach links oder rechts hinten zu blinzeln oder vorsichtig mit einer Hand zu tasten, ob der Plumpsack vielleicht doch hinter einem liegen geblieben ist.

Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes: Dieses Bild, nicht zurückzublicken, wird öfter in der Bibel verwendet. Zum Teil auch in durchaus bekannteren Geschichten und Worten. In dieser Geschichte bei Lukas, aus der unser Vers stammt, bittet jemand, der Jesus nachfolgen will, um die Erlaubnis, zunächst noch seinen Vater zu beerdingen und Jesus antwortet: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes!“ (Lukas 9,59-60).

Einem anderen, der sagt, dass er sich nur eben noch von seiner Familie verabschieden möchte, antwortet er mit dem eingangs zitierten Satz: „Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ Das sind ziemlich heftige Worte und dieser Umgang mit den Menschen, die zu ihm kommen, die bereit sind, alles andere stehen und liegen zu lassen, um mit ihm zu ziehen, dieser Umgang ist alles andere als einfühlsam oder gar seelsorgerlich. Weiterlesen

Vor 75 Jahren: Das Ende der Leningrader Hungerblockade am 27. Januar 1944

An zwei Gedenkstätten der ehemaligen Sowjetunion habe ich aus Lautsprechern leise Musik von Robert Schumann gehört. In Stalingrad, jetzt wieder Wolgograd, und in Leningrad, jetzt wieder St. Petersburg. In Leningrad heißt dieser Ort Piskarjew-Friedhof. Dort gibt es nur Massengräber, breite Plateaus, bedeckt von grünem Gras. Jedes der Felder ist mit einer Jahreszahl gekennzeichnet – 1941/1942/1943/1944, Erinnerung an 900 Tage Hungerblockade. Es ist immer still auf dem Friedhof, die Musik von Schumann erklingt aus Lautsprechern in den Bäumen. Die Menschen die dort begraben sind, sind keine Kriegstoten, sondern Opfer eines Verbrechens. Weiterlesen

Sinnliche Adventszeit, lange Abende…

Die Freunde von hier lassen dich grüßen. Grüße die Freunde dort, jeden einzelnen! (3. Johannes 1,15)

Der Duft von Orangen und Zimt, das Knuspern von Spekulatius, das Flackern der Kerzen am Adventskranz, der aufsteigende Dampf von Glühwein, die Spannung beim Öffnen der Türchen im Adventskalender und irgendwo leise Klänge alter Adventslieder…

Die Adventszeit kann so sinnlich sein! Mit Augen, Nase, Mund, Ohren und Händen sehen, schmecken, fühlen und begreifen wir den Beginn eines neuen Kirchenjahres. Eine Zeit voller Sehnsucht, eine Zeit fürs Warten, eine Zeit fürs Backen und Vorfreuen. Wann wird es endlich Weihnachten? Wann verändert das kleine Kind in der Krippe die Welt? Wann legt das Schiff im Hafen an? Wann leuchtet der Stern hell für alle? Weiterlesen

Der Heilige Nikolaus – ein Kinderfreund aus der Türkei

Demre heißt das kleine Dorf an der türkischen Mittelmeerküste heute. Nur die Reste einer großen Kirche erinnern noch an die reiche Hafenstadt Myra, die dort im ersten Jahrtausend nach Christus lag und in der am Anfang des 4. Jahrhunderts der Heilige Nikolaus als Bischof wirkte. Wir wissen nur wenig über Nikolaus: als junger Mann hat er noch die letzten Christenverfolgungen durch den römischen Kaiser Diokletian erlebt. Später, im Jahr 313, erhob dann Kaiser Konstantin das Christentum zur Staatsreligion im Römischen Reich.

Die ältesten Legenden über Nikolaus zeigen einen Bischof, der sich für Arme und Notleidende einsetzt und dabei auch großzügig mit den Schätzen der Kirche umgeht: so habe er heimlich eine vergoldete Kugel in das Haus eines verarmten Witwers geworfen, der sich in seiner Not gezwungen sah, seine drei Töchter in die Prostitution zu verkaufen. Dieses heimliche nächtliche Geschenk ist übrigens der Ursprung des bis heute gepflegten Brauches, zum Nikolaustag einen Schuh oder Strumpf vor die Tür zu stellen, um am darauf folgenden Morgen darin ein überraschendes Geschenk zu finden. Weiterlesen