Die Kirche in der VUCA-Welt

1. Manchmal hat man den Eindruck, die Herausforderungen für die Kirche in Deutschland seien nicht nur groß, sondern einzigartig. So manche Reaktionen auf die Studie Projektion 2060, die das Forschungszentrum Generationenverträge der Universität Freiburg im Mai vorgelegt hat, legten diese Einschätzung nah. Die koordinierte Mitglieder- und Kirchensteuervorausberechnung für die evangelische und katholische Kirche in Deutschland bestätigte frühere Langzeitstudien. Sie zeigt, wie sehr „Kirche im Umbruch“ ist „Zwischen demografischem Wandel und nachlassender Kirchenverbundenheit“. Mir scheint, dass in den öffentlichen Reaktionen viel von der Stimmungslage und der Unsicherheit in unseren Gemeinden und der Kirche insgesamt aufscheint. Weiterlesen

Große Verheißung für unruhige Zeiten

Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens (Lukas 2,14)

Vor etwa zwölf  Stunden erklang dieser Ruf der Engel in Australien. Mit der Drehung der Erde gelangte er einige Stunden später nach Indien, dann nach Russland. Und jetzt zu uns: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Mit Weihnachten feiern wir ein weltumspannendes Fest, das uns Christinnen und Christen rund um den Globus verbindet. Einem ganzen Volk wird lauter Jubel und große Freude versprochen – hören wir auf die Worte des Propheten Jesaja: „Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. Du weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude“ (Jesaja 9,1.2a).

Die Zeiten sind unruhig – die Lebenschancen ungerecht verteilt. Die einen leben auf Kosten der anderen. Mitten hinein in diese finstere Zeit spricht der Prophet vom Licht. Kaum zu glauben. Und trotzdem entfalten seine Hoffnungsworte unglaubliche Kraft. Weiterlesen

Von großen Würfen und den Mühen des Alltags

1. Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.“ So lautet Artikel 1 der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“. Am 10. Dezember 1948 wurde sie von den Vereinten Nationen beschlossen. Das war ein riesiger Schritt auf dem Weg zu einem Leben in Würde für alle Bewohnerinnen und Bewohner unserer Erde. Ihre Verabschiedung durch die Generalversammlung war eine Reaktion auf die systematisch organisierten Gräueltaten, die durch den Nationalsozialismus von Deutschland aus in Europa und an viel zu vielen anderen Orten in der Welt geschahen und zurecht als Verbrechen gegen die Menschheit gebrandmarkt wurden.

Heute, 70 Jahre später, sind die Menschenrechte trotz aller erreichten Fortschritte noch immer nicht überall auf der Welt selbstverständlich. Sie sind weiterhin eine Errungenschaft, für die es sich einzusetzen gilt und lohnt. Wo die Menschenrechte nicht respektiert werden, erleben Menschen Willkür, Unterdrückung und Gewalt. Und auch wo die Menschenrechte in Geltung sind, müssen sie verteidigt werden. Das haben gerade die letzten Jahre wieder gezeigt, auch in Europa, auch in Deutschland. Weiterlesen

Siehe, es kommt die Zeit

Und dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: Der HERR ist unsere Gerechtigkeit. (Jeremia 23,6)

Mit dem Advent beginnt auch ein Aufatmen. Ein neues Kirchenjahr liegt vor uns – hinter uns liegen Allerheiligen, Volkstrauertag, Buß- und Bettag, Totensonntag. Wir haben unserer Schuld gedacht und die Verstorbenen Gott anbefohlen. Wir haben uns das eigene Sterben bewusst gemacht. Jetzt können wir aufatmen. Auch beim Singen. Die Melodien werden beschwingter, sogar tänzerischer. Selbst die biblischen Texte atmen durch und schauen in die Ferne. Siehe, sagt der Prophet Jeremia, es kommt die Zeit…

Jeremia führt uns in eine Zeit vor zweitausendsechshundert Jahren, weit zurück in das Alte Testament. Das Königreich Juda befindet sich kurz vor seinem Untergang. Und der Prophet meldet sich zu Wort. Weiterlesen

Frei-Räume

Du stellst meine Füße auf weiten Raum. (Psalm 31,9)

Der Sommer ist Festivalzeit. Ein Festival liegt schon länger zurück und dennoch beschäftigt es mich innerlich immer noch: Am letzten April-Wochenende hat das 3. KURZStummFilmFestival auf Zeche Carl stattgefunden. Das Festival ist aus der Arbeit mit gehörlosen bzw. hörgeschädigten Jugendlichen entstanden.

Die Stadt Essen ist nämlich eines der größten Bildungszentren für Hören und Kommunikation im gesamten Bundesgebiet. Obwohl das vielen nicht bewusst ist, gibt es hier bei uns in Essen ein herausragendes Angebot in der Aus- und Weiterbildung gehörloser und schwerhöriger Schülerinnen und Schüler. Im Rheinisch-Westfälischen Berufskolleg für Hörgeschädigte in Frohnhausen streben etwa 900 Jugendliche und junge Erwachsene ihren Schul- oder Ausbildungsabschluss an. Mehr als ein Drittel dieser Schülerinnen und Schüler leben während dieser Zeit in den beiden Internaten des Diakoniewerks Essen für hörgeschädigte Schülerinnen und Schüler, in der Curtiusstraße oder im Internatsbereich des Fritz-von-Waldthausen-Zentrums. Weiterlesen

Wunder – oder „Das Universum kümmert sich um all seine Vögel“

Waren Sie in diesem Jahr im Kino und haben den Film „Wunder“ gesehen? Wenn nicht, haben Sie etwas verpasst. „Wunder“ ist die filmische Umsetzung des gleichnamigen Bestsellers von Raquel J. Palacio aus dem Jahr 2012. Film und Buch erzählen die Geschichte eines Jungen, dessen Gesicht von Geburt an unübersehbar entstellt ist. „Ein Buch, das erwachsene Männer zum Weinen bringt.“ Dieses Zitat aus der britischen Zeitung „The Guardian“ auf dem Klappentext des Buches habe ich anfangs belächelt. Ich gestehe, am Ende kamen mir beim Lesen tatsächlich die Tränen, was mir nicht oft passiert. Im Kino war das nicht anders. Weiterlesen

Ich wünsche Ihnen den Frieden der Heiligen Nacht!

Seit jeher erzählt die Geschichte der Heiligen Nacht von der Menschwerdung Gottes. Das ist ihr Kern: Gott begegnet uns in einem Kind – und nicht als Kriegsfürst, Milliardär oder Präsident. Arm erscheint es, schutzlos und bedürftig. Und doch wohnt eine große Kraft in ihm, die die Menschen bis heute in ihrem Innersten berührt und verwandeln kann – eine Kraft der Nächstenliebe und der Menschlichkeit.

Was bedeutet das – für unsere Zeit? Zum einen – dass es Sinn macht, die uralten Hoffnungen, Lieder und Erfahrungen der Begegnung mit Gott, von denen die Bibel erzählt, durch die Generationen weiterzugeben und mutig in unsere Gegenwart zu übersetzen – damit Menschen auch heute von der Weihnachtsbotschaft angerührt werden. Zum Zweiten – dass jedes Leben einzigartig ist, dass jeder Mensch ein Recht auf Anerkennung und Respekt hat und von Gott geliebt wird. Zum Dritten – dass jede Begegnung wichtig für mein Leben ist. Das war nie einfach. Jede Begegnung birgt das Potential in sich, etwas zu entdecken, das beglückt – genauso wie etwas zu entdecken, was mir widerstrebt und mich vielleicht verstört. Doch wenn wir einander wahrhaftig zuhören, wenn wir wirklich verstehen wollen, woher der oder die andere kommt, woran sie glaubt, worauf er hofft – werden wir am Ende belohnt und durch jede Begegnung reicher. Weiterlesen

Diakonie. Gott sei Dank!

1. „Halleluja! Lobe den HERRN, meine Seele! Ich will den HERRN loben, solange ich lebe, und meinem Gott lobsingen, solange ich bin.“ So beginnt der 146. Psalm, den ich als Predigttext für die Vesper um Vier am 8. Juli – zum Abschluss des Marktkirchenfestes der Diakonie in Essen – ausgewählt habe. Passt das für einen Tag wie diesen, an dem Kirchenmusik und Diakonie zusammenkommen?

Und wie das passt! Das Staunen über das Wunder des Lebens, die Freude über das Leben, das Lob Gottes steht doch am Anfang von allem. Wir antworten darauf mit unserer Musik. Aber noch mehr: Wir antworten darauf mit unserem ganzen Leben. Weiterlesen

Zeche Zollverein, die Evangelische Kirche und die Reformation

1. Ich wohne noch nicht so lange in Essen. Wenn Besuch von auswärts kommt, wird Essen und seine Umgebung noch immer von der Familie mit erkundet. Dazu gehört natürlich die Zeche Zollverein als Architektur- und Industriedenkmal, seit 2001 offizielles Welterbe der UNESCO. Beim letzten Besuch war nicht nur Geschichte, Größe und Ausmaß der Schachtanlagen, der Kokerei und des gesamten Geländes erneut beeindruckend. Der Wandel und die immer größer werdende Rasanz der Veränderung sind mir erst richtig bewusst geworden. Weiterlesen

Was wir jetzt brauchen, ist vor allem Besonnenheit

Gott hat uns nicht einen Geist der Verzagtheit gegeben, sondern den Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. (2. Timotheus 1,7 | Einheitsübersetzung)

1. Der Israel-Korrespondent der ARD, Richard C. Schneider, hat Mitte Januar 2016 sein Erschrecken über die laufenden Debatten in Deutschland in einem Facebook-Beitrag geäußert:

„Seit etwas mehr als einer Woche mache ich einen riesigen Fehler: Ich schaue mir deutsche Talkshows an. Das Thema ist immer dasselbe…: Terror, Islamisten, Flüchtlinge. Und dann immerzu die Angst der Deutschen. Eine unglaubliche Hysterie hat das Land befallen, wenn man den Medienberichten glauben darf. Mit viel Halbwissen – oder gar keinem – wird über den Islam schwadroniert, werden Verschwörungstheorien in die Welt gesetzt, werden die Ängste der Bevölkerung/Zuschauer/Leser/Hörer in immer höhere Höhen getrieben. Weiterlesen