Christine ist DIE Person, die mir den schlimmsten Stachel der Unzulänglichkeit ins Hirn gesetzt hat! Es gab natürlich schon vor Christine Stachel, die pieksten und mich pisackten… Ich meine damit: ich hatte schon vor meiner Bekanntschaft mit ihr einige Ansagen über mich gehört, die weh taten und mir von Zeit zu Zeit säuerlich aufstießen.
Da war der angewiderte Gesichtsausdruck des Jungen, den ich in der Tanzstunde bei der Damenwahl aufforderte: Mit DER tanze ich nicht… Oder die Resignation meiner Musiklehrerin, die die Chorprobe vor der Abschlussfeier in der Grundschule leitete: Lies DU dann mal besser ein Gedicht vor… Oder der Spott des Turnlehrers: Seht her, wie A. es macht, SO geht es jedenfalls nicht…
Nun, all diese frühen Erfahrungen meines „Falsch-Seins“ hatte ich irgendwann gut verpackt – mein Erwachsenen-Ich tröstete das kleine Mädchen in mir in auskömmlicher Weise; und über meinem Leben schrieb ich eher die Note „befriedigend“ als „ungenügend“.
Aber dann kam Christine und sprach den Satz, der tödliches Gift in sich hatte: „Du bist zu vehement!“
Meint: du bist unangenehm laut und aufdringlich dazu. Spielst dich in den Vordergrund und drängst die andern an die Wand. Nimmst ihnen ungeniert die Luft zum Atmen, grätschst in ihr Leben und machst sie zu Opfern deiner Egozentrik.
Meint: jedenfalls bist du all das nicht, was einen charakterfesten Mitmenschen gemeinhin auszeichnet: achtsam und wertschätzend anderen gegenüber zu sein.
Christine, die Stille und Sanfte, sprach diesen Satz bei einem der Seminare in den Achtzigern, bei dem der Dozent ein Aufnahmegerät in die Mitte des Stuhlkreise stellte – und nichts geschehen ließ – nur Schweigen und Abwarten… Abwarten, wer als erster die Geduld verlor – und redete – irgendetwas… und den anderen damit zur leichten Beute wurde.
Ich sagte immer als erste etwas. Und immer war es das Falsche. Immer machte ich mich so zum Gesprächsstoff… Aber statt dankbar zu sein, dass ich diese unangenehme Rolle übernahm, war Christine empört: „Du bist so vehement!“
Auf Christines Spuren schäme ich mich bis heute… wenn ich im Eifer des Gesprächs lauter werde, dazwischen rufe, ja sogar meinem Gegenüber ins Wort falle, mir seinen Satz schnappe, bevor er ihn zu Ende gesprochen hat. Also all die Dinge mache, die im Lehrbuch der fairen Kommunikation nicht gut wegkommen – und dazu noch unhöflich sind.
Recht so, Christine! Das geschieht mir Recht, wenn ich mein Temperament nicht zügeln kann und mir selbst so viel näher bin als dem Nächsten.
Ich schäme mich auch, wenn ein Kollege im Nebensatz erwähnt, dass man ja nun nicht immer alles gleich herumposauen müsse, Halbgares und Unausgegorenes, dummes Zeug und nicht bis ins Detail geklärte Sachverhalte erst einmal in Ruhe prüfen sollte…
Recht so, Christine! Das geschieht mir ganz Recht, wenn ich es nicht schaffe, den Verstand vor dem Reden einzuschalten – und anfange zu plappern, wie ein Kind in der falschen Rolle.
Zugegeben, liebe Christine, das alles geschieht mir Recht und möge mich zum Lernen motivieren – denn dazu ist es ja bekanntlich nie zu spät – aber ich will dich jetzt endlich los sein in meinem Leben!
Ich will deine Macht über mich los sein.
Ich will mich nicht mehr schlecht fühlen, weil ich prall voll Ideen bin,
ich will mich nicht falsch fühlen, weil ich gestalten und nicht erleiden will.
Ich möchte mich nicht länger als „dominantes Monster“ fühlen, weil ich Menschen begeistern und überzeugen kann!
Und ich weiß mittlerweile, dass hinter sanftem Schweigen nicht immer nur große Weisheit – sondern auch einfach nur Leere stecken kann!
Ich will anpacken, zupacken, laut brüllen, vorne stehen, versuchen mich durchzusetzen. Und all das ohne schlechtes Gewissen!
Denn: Ihr Christines dieser Welt, ihr alle seid ja erwachsen genug, mir ins Wort zu fallen, wenn es euch zu bunt wird.
Ich halte das aus! Geschieht mir dann Recht.
Anke Augustin
Danke liebe Anke für diesen Beitrag, der so typisch „Anke“ ist, offen und persönlich geschrieben. Ich glaube, wir alle lassen uns viel zu sehr von anderen einreden, wir wären „falsch“, dabei sind wir alle nur unterschiedlich -Gott sei Dank-. Ich finde jedenfalls wunderbar, wie Du bist, eben so voller Leben und Ideen. Du willst wirklich etwas bewegen und Menschen begeistern für den Glauben. Mich hast Du jedenfalls ganz schnell begeistert, durch Deine ganze Art und große Motivation. Ich bin so froh, Dich kennengelernt zu haben und mit Dir den Weg weiter zu gehen. Mache bitte weiter so …..! Deine Marita