Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm. (Apostelgeschichte 10,35)
Pfarrers Kinder, Müllers Vieh geraten selten oder nie! Mit diesem Spruch bin ich, sozusagen, groß geworden. Oh nein, nicht meine Eltern haben das gesagt – mein Vater hat es mir als Kind nur erklärt, ich wusste gar nicht, was ich mit Müllers Vieh gemeinsam haben könnte – nein, Menschen aus der Gemeinde, Menschen, denen ich begegnet bin, haben, sobald sie hörten, was mein Vater von Beruf ist, diese Lebensweisheit von sich gegeben.
Nun mag das in den einen oder anderen Ohren witzig klingen, die ersten Male ist das vielleicht auch so, aber dann verliert es doch erheblich an Charme und ich selber mag es auch nicht mehr hören. Denn der Witz ist ja nur von kurzer Dauer, anschließend war ich ja damit beschäftigt, gegen diesen Ruf zu arbeiten, mich aus der Schublade wieder heraus zu manövrieren, in die man mich mit diesem Spruch ja hingesteckt hatte.
Vielleicht fühle ich mich deshalb bis heute tief getroffen, wenn ein Pfarrerskind wegen krimineller Handlungen in die Schlagzeilen gerät. Ich habe dann immer gleich das Gefühl, dass es auf alle Pfarrerskinder zurückschlägt. Ich will also nicht in eine Schublade gesteckt werden, nur weil ich aus einem Pfarrhaushalt stamme, andererseits weiß ich aber auch, dass auch ich Schubladendenken nutze, um mir die Welt zu erklären oder zu vereinfachen.
Das ist gar nicht gut. Sag ich und ich müsste es ja aus eigener Erfahrung auch wissen. Natürlich hilft es mir manchmal, aber oft verhindert es auch das ein oder andere, auf jeden Fall schon mal dann, wenn es um Menschen geht. Wer mit vorgefertigten Meinungen und Weisheiten auf andere zugeht, der hat eine eingeschränkte Wahrnehmung, der ist nicht offen für Begegnungen und die andere Seite hat viel Geschäft, um sich wirklich darzustellen. Ich muss da noch sehr an mir arbeiten. Ein Glück, dass andere da anders sind, dass andere über ihren eigenen Schatten springen können, offen sind für Begegnungen, für neue Erfahrungen, für Veränderungen ihres Denkens, der Regeln, die sie gelernt haben.
Der für den 3. Sonntag nach Epiphanias vorgeschlagene Predigttext ist aufgeschrieben in der Apostelgeschichte, im 10. Kapitel, die Verse 21-35. Damit Sie ein bisschen wissen, was bisher geschah, möchte ich vorher etwas zum Zusammenhang sagen.
Es geht heute um Petrus, der erste von Jesus berufene Jünger. Er setzt Jesu Weg fort, er missioniert, er wirbt für den neuen Glauben, aber er ist auch noch in seinen jüdischen Wurzeln verankert. Damit ist er groß geworden, mit all den Geboten und Verboten, die kennt er, daran hält er sich, das regelt und vereinfacht auf gewisse Weise auch sein Leben. Denn da weiß er, was er hat.
Doch Gott mutet ihm nun etwas zu. Er muss seinen Blick weiten, er muss sein Herz öffnen, er soll seine vertrauten Pfade verlassen, er darf sich etwas trauen. Eine Verzückung schickt Gott ihm, eine Vision mit Audition, als er betet. Hunger hat er, und vor seinem geistigen Auge erscheinen Lebensmittel, nein Tiere, die er auf keinen Fall essen darf. Aber in dieser Vision hat er keine Chance. Alles, was er gelernt hat, alles, was er an Lebensweisheit mit auf seinen Weg bekommen hat, das zählt nicht mehr. Gott fordert ihn auf, diese Tiere zu schlachten und zu essen.
Petrus wehrt sich. Keine Chance. Dreimal wird er von Gott aufgefordert, zu essen. Und noch ehe er so recht weiß, wie er damit umgehen soll, dass Gott Dinge für rein erklärt, die eigentlich nicht rein sind, da wird nach ihm gerufen. Und auch da hat Gott noch einen Auftrag für ihn: Geh mit Ihnen! Zweifle nicht, denn ich habe sie gesandt!
Und da setzt nun unser heutiger Predigttext ein.
Da stieg Petrus hinab zu den Männern und sprach: Siehe, ich bin’s, den ihr sucht; aus welchem Grund seid ihr hier? Sie aber sprachen: Der Hauptmann Kornelius, ein frommer und gottesfürchtiger Mann mit gutem Ruf bei dem ganzen Volk der Juden, hat einen Befehl empfangen von einem heiligen Engel, dass er dich sollte holen lassen in sein Haus und hören, was du zu sagen hast. Da rief er sie herein und beherbergte sie. Am nächsten Tag machte er sich auf und zog mit ihnen, und einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm. Und am folgenden Tag kam er nach Cäsarea. Kornelius aber wartete auf sie und hatte seine Verwandten und nächsten Freunde zusammengerufen. Und als Petrus hereinkam, ging ihm Kornelius entgegen und fiel ihm zu Füßen und betete ihn an. Petrus aber richtete ihn auf und sprach: Steh auf, auch ich bin ein Mensch.
Und während er mit ihm redete, ging er hinein und fand viele, die zusammengekommen waren. Und er sprach zu ihnen: Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen; aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll. Darum habe ich mich nicht geweigert zu kommen, als ich geholt wurde. So frage ich euch nun, warum ihr mich habt holen lassen. Kornelius sprach: Vor vier Tagen um diese Zeit betete ich um die neunte Stunde in meinem Hause.
Und siehe, da stand ein Mann vor mir in einem leuchtenden Gewand und sprach: Kornelius, dein Gebet ist erhört und deiner Almosen ist gedacht worden vor Gott. So sende nun nach Joppe und lass herrufen Simon mit dem Beinamen Petrus, der zu Gast ist im Hause des Gerbers Simon am Meer. Da sandte ich sofort zu dir; und du hast recht getan, dass du gekommen bist. Nun sind wir alle hier vor Gott zugegen, um alles zu hören, was dir vom Herrn befohlen ist. Petrus aber tat seinen Mund auf und sprach: Nun erfahre ich in Wahrheit, dass Gott die Person nicht ansieht; sondern in jedem Volk, wer ihn fürchtet und Recht tut, der ist ihm angenehm.
Was bin ich froh, dass Petrus keinen dummen Sinnspruch zur Antwort hat, als Gott mit ihm spricht und die Fremden ihn mitnehmen wollen, wie: Den Juden suche, vom Heiden weiche. Hatte er sich bei seiner Vision noch zu wehren versucht: „Ich habe noch nie etwas Gemeines und Unreines gegessen“ und das sicher aus den besten Absichten – schließlich wusste er ja nicht, wer ihn da gerade verführen wollte, und da galt es schon, die guten von den bösen Geistern zu unterscheiden – da war er sich, nach allem, was er gesehen und gehört hatte, doch sicher, dass Gott ihn da auf ganz neues Gelände führen würde.
Vielleicht, damit es alle mitbekommen, erwähnt er es ja auch gleich noch einmal hörbar für alle: „Ihr wisst, dass es einem jüdischen Mann nicht erlaubt ist, mit einem Fremden umzugehen oder zu ihm zu kommen, aber…“, aber Gott hat mich gerade etwas anderes gelehrt. Und indem Petrus nun auch hörbar das Aber ausspricht: „aber Gott hat mir gezeigt, dass ich keinen Menschen gemein oder unrein nennen soll“ bekommt auch Kornelius mit seinem ganzen Gefolge die Ehre, die Anerkennung, die Würde, die ihnen zustehen.
Vielleicht ist das das erste, das wir hier und heute noch einmal lernen und gesagt bekommen: keiner ist qua seiner Geburt unrein oder wie Müllers Vieh, keiner ist irgendetwas durch seine Geburt, sondern jeder und jede hat seine Würde und ob jemand am Ende rein oder unrein zu nennen ist, das ist nicht meine Sache.
Es mag sein, dass mir manche Gesellschaft nicht gut tut, dass es Menschen gibt, die mich zum Bösen verführen möchten, da ist es dann sicher gut, wenn ich mich aus diesem Bannkreis zurückziehe oder aber auch darauf hinweise, dass hier Unrecht geschieht, trotzdem bleibt es dabei: Es ist Gottes Sache am Ende zu richten, zu entscheiden, was rein oder unrein ist.
Das zweite: Ich empfinde große Dankbarkeit, wenn ich an Petrus denke. Wie sähe die Welt aus, wenn Petrus verbissen an alten Weisheiten und Geboten festgehalten hätte? Wo wäre dann ich? Gott hat sein Herz weit gemacht, er hat nicht nur sein geliebtes Volk Israel in sein Herz gelassen, sondern auch alle anderen, den Hauptmann Kornelius und sein Gefolge, Sie und mich, Gott will die ganze Welt mit sich versöhnen.
Und Petrus hat dabei geholfen, nicht beim Herz weit machen, aber beim Verbreiten des Evangeliums, bei der Einladung zu Gott. Und das ist jetzt tatsächlich auch der dritte und letzte Punkt, auf den ich heute hinweisen möchte: Lassen Sie es uns Petrus nachmachen, lassen auch wir uns einladen, von Gott zu erzählen, Menschen auf ihn hinzuweisen, unseren Glauben öffentlich zu leben. Gott braucht Menschen wie Petrus, die ohne Schubladendenken auf andere zu gehen und sie zum Glauben an Gott einladen und lehren.
Friederike Seeliger
Wieder ein großartiger Beitrag von Friederike Seeliger !
…stimmt, das schreibt sich in die Herzen – persönlich, authentisch. Danke fürs Feedback! Ihre Beiträge haben aber auch diese besondere Sprache, die jedes Mal bei mir, im Innersten, eine Saite zum Klingen bringt.