Denn so spricht Gott der HERR, der Heilige Israels: Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet, so würde euch geholfen; durch Stillesein und Vertrauen würdet ihr stark sein. (Jesaja 30,15)
Mensch, sind Sie tapfer! habe ich zu dem Patienten gesagt, mit dem ich nun, da die Umstände es erfordern, regelmäßig telefoniere. Sind Sie tapfer! Und ich meinte das auch so. Denn nicht allein, dass er seit Wochen im Krankenhaus liegt, schon vorher so weit weg von zu Hause und seinen Angehörigen war, dass er nur am Wochenende Besuch bekommen konnte, so fällt diese Unterstützung ja nun auch schon seit Wochen weg.
Seither also nur Ärzte und Ärztinnen, Therapeuten und Therapeutinnen und, seit ich ihn kenne, mittlerweile auch verschiedene Stationen und dadurch wechselndes Pflegepersonal. So geht es mir immer, hat er neulich zu mir gesagt. Immer, wenn ich denke, jetzt kommst du gut mit jemandem aus, dann kommt ein neuer Mitarbeiter und ich muss mich wieder umstellen.
Aber das ist es nicht allein, dass er seine Liebsten nicht um sich haben kann, ihn niemand einfach mal so in den Arm nehmen kann, die Hand mal drückt oder ihm über den Kopf streichelt, wie mein Vater das manchmal getan hat, um auszudrücken, dass er mitfühlt und da ist oder auch, um mich einfach mal ein wenig zu necken und zu ärgern und so auch Energie freizusetzen, nein, das allein ist es nicht, sondern seine Krankheit scheint keine Pause einzulegen, er muss viel Kraft aufwenden, um dagegen anzugehen, auch um auszuhalten, dass sein Körper nicht so schnell ist wie seine Wünsche.
Und da kam dann auch noch diese Untersuchung, von der wir beide wussten, dass sie nicht nur unangenehm, sondern wirklich schmerzhaft ist, und er hält das aus. Hält das Warten auf die Untersuchung aus, hält die Untersuchung aus.
Mensch, sind Sie tapfer!
Und er sagt ganz ergeben, was soll ich denn auch tun?
Mir fällt sofort ein, was man, vielleicht sogar ich täte: klagen und hadern, an Gottes Gerechtigkeit zweifeln, vielleicht sogar an ihm selbst zweifeln, vor mich hin schimpfen, andere verantwortlich machen, eine nörgelige Patientin werden…
Macht er alles nicht. Er hält das aus, bleibt freundlich und sehr zugewandt, hört sogar mir zu, wie ich erzähle, wie schwierig alles geworden ist und unüberschaubar und so wenig händelbar, und dann muss ich lachen und sage ihm: Ihr Verhalten ist ganz schön biblisch.
Echt? hat er gefragt. – Ja. Es gibt da eine Stelle in der Bibel, wo Gott zitiert wird und er gerade das Stillesein seinem Volk empfiehlt, damit ihm geholfen wird.
Denn so spricht Gott der HERR, der Heilige Israels:
Wenn ihr umkehrtet und stille bliebet,
so würde euch geholfen;
durch Stillesein und Vertrauen würdet ihr stark sein.
Und im Stillen denke ich, da guckste, hat dir mal wieder ein Patient gezeigt, wie es besser geht. Alle Aufregung umsonst, auch bei dir selber. Vertrauen auf Gott und stille sein und mit Gottes Hilfe kommt Kraft. Amen.
Friederike Seeliger