Auch wenn ich allen Mut verliere, wachst du doch schützend über meinem Weg. (Psalm 142,4)
Haben Sie noch Mut? Ich denke, es fällt zunehmend schwerer, mit den immer größer gewordenen Einschränkungen unseres öffentlichen Lebens zurechtzukommen. Das Kontaktverbot setzt vielen zu. Menschen, die uns wichtig sind, dürfen wir nicht sehen, geschweige denn berühren und in den Arm nehmen, um uns gegenseitig zu bestärken. Die Sonne scheint zwar warm auf uns herab, aber viele Parks und Plätze sind geschlossen, manche Bänke sogar schon weggestellt. Wohin können wir noch gehen? Und zu Hause bleiben, fällt so schwer. Manch eine*r fühlt sich schon beinahe wie eingesperrt in den eigenen vier Wänden.
Unserem Psalmbeter muss es ähnlich ergangen sein. „Führe mich heraus aus diesem Gefängnis“, heißt es in Vers 8. Und was besonders schwer auf seiner Seele lastet: er fühlt sich so alleingelassen. „Wohin ich auch schaue – da ist niemand, der sich um mich kümmert“ (Vers 5). Auch dieses Gefühl werden viele kennen – gerade in diesen Tagen.
Der Psalmbeter führt eine Art Zwiegespräch mit Gott. All seine Ängste und Sorgen breitet er vor ihm aus, seine Verzweiflung – und dann immer wieder auch seine Hoffnung. Ist da nicht vielleicht doch einer, der zuhört? Einer, der mich herausholen kann aus meiner Not?
„Ich schreie zu dir, Herr, und sage: Du allein bist meine Zuflucht, du bist alles, was ich zum Leben brauche!“ (Vers 6). Seine Gedanken gehen hin und her, so wie unsere Gedanken und Sorgen in diesen Tagen.
Auch wenn unsere Kirchen nun schon seit über zwei Wochen geschlossen sind – eigentlich unvorstellbar, wir sind nicht allein. Wir haben immer noch so viele Möglichkeiten, mit anderen in Kontakt zu treten, können zuhören, um Rat fragen, Mut machen, liebe Grüße schicken…
Vielleicht ist jetzt auch die Gelegenheit, alte Freund- und Bekanntschaften wieder aufleben zu lassen… sich einfach einmal wieder bei jemandem zu melden, von dem man lange nichts gehört hat… Und positive Gedanken zu schicken, überall dorthin, wo Menschen jetzt in Not sind…
Und dann kann ich vielleicht auch manchmal wie einen Windhauch oder mit einem Atemzug spüren, wie ein Gedanke oder ein Gruß eines lieben Menschen mich gerade erreichen möchte… Und ich werde Luft holen und Kraft schöpfen, denn: „Auch wenn ich allen Mut verliere, wachst du doch schützend über meinem Weg.“
Amen.
Sabine Grüneklee-Herrmann