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Luft holen! Fünf Jahre nach der ersten Corona-Toten in Essen

„Luft holen! Sieben Wochen ohne Panik“ ist das Motto für die evangelische Fastenaktion „Sieben Wochen Ohne“ 2025. Seit Aschermittwoch lassen sich Christen auf diese Woche bis Ostern begleiten, anregen, irritieren, um neu auf ihr Leben zu schauen.

Es ist schon ein seltsamer Zufall, dass vor fast genau fünf Jahren in Essen die erste Tote zu beklagen war, die an oder mit COVID-19 gestorben ist. Da blieb einem Menschen im wahrsten Sinnen die Luft weg – und unsere Gesellschaft stand vor der Gefahr, in Panik zu geraten. Ich bin überrascht und auch befremdet, wie wenig die Corona-Pandemie und der Umgang mit ihr nach fünf Jahren öffentlich bedacht werden. Dabei gibt es doch allen Grund, noch einmal zurückzuschauen und zu erörtern, was bei der Bewältigung dieser Mammutaufgabe gut und was schlecht gelaufen ist. Um Schuldzuweisungen geht es mir dabei nicht.

Genau am 9. März 2020 starb eine 89-Jährige in der Uniklinik. Sie war der erste Todesfall in unserer Stadt und einer der ersten beiden Todesfälle in Deutschland. Allein in Essen sind bis heute 1.029 Menschen an oder mit einer Corona-Infektion gestorben. 644 von ihnen waren 80 Jahre und älter. Vor fünf Jahren gab es erste Überlegungen, Veranstaltungen über 1.000 Teilnehmende zu verbieten. Viel einschneidendere Entscheidungen mussten dann im Laufe der nächsten Wochen und Monate getroffen und immer wieder aktualisiert werden, um die Folgen der Corona-Pandemie einzudämmen.

Im Vergleich mit anderen Weltgegenden und Ländern ist es uns in Deutschland dadurch tatsächlich gelungen, die Zahl der Toten und Schwersterkrankten stark zu begrenzen. Doch jeder und jedem fallen zugleich Maßnahmen ein, die im Rückblick und mit heutigem Wissen nicht zielführend waren.

Ich erinnere gerade zu Beginn der Pandemie eine starke Welle der Solidarität in unserer Gesellschaft. Was haben auch Mitarbeitende in der Diakonie da alles ausgehalten und gestemmt, bei der Arbeit und privat! Das öffentliche Klatschen für Pflegekräfte kommt mir im Rückblick allerdings eher peinlich als wertschätzend vor, auch wenn es anders gemeint war. Wer kann im Rückblick auf die Zeit vor fünf Jahren nicht die gelebte Solidarität, die Einschnitte im (Arbeits-) Alltag, den schwierigen Umgang mit den auferlegten Begrenzungen, das dauerhafte Einstellen auf neue Maßnahmen, die körperliche und psychische Belastung, das Ausrichten auf das Wohl anvertrauter Menschen, die Trauer um Verstorbene im Inneren aufrufen?

Zum Erleben gehörte ebenfalls, dass es durch die Quarantäne-Anordnungen in allen Kalendern auf einmal viel mehr Platz gab. Es war tatsächlich Zeit zum „Luft holen“ und das wortwörtlich am besten draußen an der frischen Luft. Ich finde, das war keine schlechte Erfahrung der Entschleunigung. Die Fastenzeit 2025 bietet nun die Gelegenheit, freiwillig und nicht gezwungen durchzuatmen, Luft zu holen, innezuhalten. Den Wert des Einatmens und Ausatmens bewusst wahrzunehmen, die eigene Lebendigkeit zu spüren.

Im Blick auf Jesu Leidensgeschichte und auf unser eigenes Leben (etwa in der Corona-Zeit) sehen wir Schmerz und Verrat, Schwachheit und Angst, Gewalt und Tod. Doch wir dürfen auch wissen, wie sich das befreite Durchatmen nach überstandener Gefahr anfühlt. Gott hilft unserer Schwachheit auf, sagt der Apostel Paulus. So will uns Gott stärken für die Aufgaben, die vor uns liegen. Also: Holen Sie in den nächsten sieben Wochen tief Luft und gewinnen neue Lebenskraft.

Andreas Müller

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