An unserem Weihnachtsbaum zu Hause hängt in diesem Jahr eine neue Christbaumkugel. Ich habe sie im Urlaub in Südtirol erworben. Das Grödnertal ist bis heute eines der Zentren der Holzschnitzkunst. Waren es früher Krippen, Heiligenfiguren oder Spielzeug gehören heute auch Christbaumkugeln zum Sortiment. Ich bewundere die filigrane und detailgetreue Handarbeit dieser Kugel. Sie zeigt die Kirche St. Jakob, wohl die älteste im Grödnertal, vor der atemberaubenden Bergkulisse des Tales.
Was für eine Investition hinter der Christbaumkugel steckt! Eine Garantie dafür, dass jemand diese Kugel für die Weihnachtszeit hilfreich findet und kauft, hatte die Kunstwerkstatt nicht, in der die Kugel geschnitzt wurde.
Die Christbaumkugel zeigt geschnitzt die Kirche St. Jakob, wohl die älteste Kirche im Grödnertal. Mit meiner Frau wollte ich sie an einem Sonntagspaziergang in echt besuchen. Kilometermäßig war das eine kurze Entfernung. Was wir unterschätzt hatten, war der Höhenunterschied. Es war schon eine richtige Wanderung und einiger Schweiß nötig, um das Ziel zu erreichen. Wir haben dabei an die Bauleute denken müssen, die seit dem 13. Jahrhundert dafür sorgen, dass es diese Kirche hoch über dem Dorf gibt. Sie haben in diesem Gelände und unter den früheren Arbeitsbedingungen wahrhaft Strapazen auf sich genommen, um die Kirche zu bauen, wiederaufzubauen, zu restaurieren.
Was für eine Investition ist der Bau dieser Kirche! Eine Garantie dafür, dass Menschen dort hingehen, zur Andacht einkehren, sich an Gott erinnern lassen, Gottesdienste feiern, Gott an diesem Ort loben haben die Auftraggeber und die Bauleute nicht gehabt. Und selbst wer die Kirche wie wir besucht, muss noch einmal 100 Meter weiter den Berg hochgehen, um tatsächlich den Blick auf die Kirche vor dem grandiosen Bergpanorama nicht zu verpassen, das die Christbaumkugel schmückt.
Die Christbaumkugel und die St. Jakobkirche gäbe es nicht, wenn Jesus nicht gelebt hätte. Weihnachten feiern wir seine Geburt. Und wer sich in die Weihnachtsgeschichten vertieft, merkt schnell, welche Anstrengungen in diesen Erzählungen vorausgesetzt werden. Josef zieht mit der hochschwangeren Maria gezwungenermaßen von Nazareth im Norden Israels nach Bethlehem in den Süden. Dort bekommt Maria unter den großen Strapazen, die zu jeder Geburt gehören, ihr Baby Jesus – und das mitten in einem Stall. Josef muss seine kleine Familie unter widrigen Umständen irgendwie versorgen. Und nach den unerwarteten und höchst erstaunlichen Besuchen von Hirten und Sterndeutern wartet der nächste Stresstest: Es geht auf die anstrengende und nervenaufreibende Flucht ins Nachbarland Ägypten, um dort Asyl zu finden.
Was für eine Investition in unsere Menschlichkeit hat Gott mit der Menschwerdung Jesu gewagt. Maria und Josef wussten gar nicht so recht was da mit und durch sie geschah. Gott hatte und hat keine Garantie dafür, dass Menschen sich von seinem Kommen anrühren, begeistern, ja zu einem wahrhaft menschlichen und freien Leben bewegen lassen.
Eine Reaktion auf Gottes Liebe zu uns Menschen ist die Liebe zu unseren Nächsten, unseren Mitmenschen. Sie wird konkret in der diakonischen Arbeit. Mitarbeitende in Gemeinde, gemeindeübergreifenden Diensten und diakonischen Einrichtungen wie dem Diakoniewerk stehen Menschen zur Seite, gerade dann wenn es in deren Leben nicht gut läuft. Das tun sie beruflich oder ehrenamtlich, manche andere aber auch privat, in Initiativen oder an anderen Stellen. Um das verlässlich und mit Empathie für die, für die Mitarbeitende da sind, zu tun, setzen sie viel ein. Anstrengungen, mal mehr körperlich, mal mehr psychisch, gehören dazu, wenn die Arbeit gelingen soll. In der Advents- und Weihnachtszeit kommen noch Advents- oder Weihnachtsfeiern, das Schaffen einer besonderen Atmosphäre, das Kümmern um Geschenke und viel mehr zum alltäglichen Pensum hinzu.
Was für eine Investition in Nächstenliebe leben solche Mitarbeitende Tag für Tag! Dafür gilt ihnen von Herzen ein großer Dank. Eine Garantie dafür, dass Menschen ihre Unterstützung Wertschätzen gibt es nicht. Doch wie oft erzählen einzelne Mitarbeitende, dass sie genau das Erleben, dass sie ganz viel Dankbarkeit für ihren Einsatz zurückbekommen. Und manche entdecken in der Arbeit mit ihren Nächsten sogar etwas von Gottes Kommen mitten in unseren Alltag.
Ich lade Sie ein: Staunen Sie dieses Weihnachten mit mir über Gottes großartige Investition in unsere Menschlichkeit. Lassen Sie sich anrühren durch die Nähe, die Gott zu uns sucht. Und die Menschwerdung Gottes stärke Sie bei Ihrer eigenen Investition in die Nächstenliebe, ob bei Ihrer Arbeit oder im Privaten, in Kirche oder Diakonie oder an ganz anderen Orten unserer Stadtgesellschaft. Vielleicht erinnert Sie wie mich eine Christbaumkugel an das, was Gott Weihnachten für uns investiert hat.
Andreas Müller