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Guter großer Übervater | In Zeiten von Corona #1

Dein Knecht lässt sich durch deine Gebote warnen. (Psalm 19,12) – Übe dich darin, den Willen Gottes zu tun. (1. Timotheus 4,7) | Herrnhuter Tageslosung für den 17. März 2020

Am Tag 1 meiner Reihe geistlicher Impulse „in Zeiten von Corona“ möchte ich als erstes sagen, was ich nicht glaube: Ich glaube nicht, dass die Corona-Epidemie ein Strafgericht Gottes ist.

Gestern gab es eine Umfrage einer christlichen Zeitung, die diese Frage per Mail an mich stellte – und mir als Dank für Beteiligung ein Abonnement anbot, das selbstverständlich nach den Probeexemplaren weiterlaufen würde, wenn ich nicht fristgerecht kündigen würde. Aber auch meine Apothekerin – eine moderne, kluge Frau – stellte mir dieselbe Frage. Ich weiß nicht, ob sie es ernst oder ironisch meinte – jedenfalls kommen solche Gedanken jetzt im Alltag „mit Corona“ auf.

Wir Menschen suchen Erklärungen für die Dinge, die uns Angst machen und unsere Herzen und Gedanken bewegen. Da ist es nur naheliegend, dass auch Gott wieder ins Spiel kommt: der große Übervater, der zuständig ist für Belohnung und Strafe. In der Psychologie: ein regressiver Rückfall in die Kindheit, als wir unsere Ohnmacht und Hilflosigkeit dadurch in den Griff bekamen, uns an unsere allmächtig erlebten Eltern anzuklammern.

So scheint unsere Welt kontrollierbar, wenn wir die Regeln kennen: das richtige Tun wird belohnt, das falsche Tun wird bestraft. Vater und Mutter sagen, was richtig und falsch ist – und ich bin dann „safe“, wenn ich alles so mache, wie sie es verlangen.

Von hier aus ist es nur ein kleiner Schritt, die Corona-Krise denkerisch (und für manche auch gefühlsmäßig) in den Griff zu beommen: als das Strafgericht Gottes für das falsche Tun.

Und was haben wir nicht alles falsch gemacht: Zerstörung der Umwelt, Unbarmherzigkeit gegen Flüchtlinge, dem Mammon dienen allem zuvorderst … die Reihe der falschen Taten, die Gott nicht gefallen, lässt sich unendlich fortsetzen.  Mancher mag den Losungstext aus Psalm19 gerade so auslegen, dass Gott uns lange genug gewarnt hat – und nun die Strafe kommt für den Ungehorsam.

Ich möchte mir jedoch durch Corona und meine Unsicherheit, ob ich den Anforderungen, die auf uns zukommen, gewachsen sein werde – mein Bild von Gott nicht nehmen lassen. Gerade jetzt nicht, wo ich ihn dringend brauche, meinen Gott und meinen Glauben.

Ich glaube, dass Gott jetzt für uns auch so ein großer Übervater sein will, und wir uns getrost anklammern dürfen – aber er ist ein GUTER GROSSER ÜBERVATER.

Mein Bild von Gott enthält helle Farben und weiche Konturen, mütterliche Einfühlsamkeit und väterliche Zärtlichkeit. Mein Bild von Gott trägt Jesu Züge – Arzt und Heiler und Christi Signatur. Erlöser und Retter.

Ich sehe meine Tochter und meinen Schwiegersohn den kürzlich geborenen Sohn anschauen, ihr Gesicht leuchten und ihr Herz überfließen vor Liebe – und denke an Gott, wie er mich sieht.

Wenn ich mich übe, Gottes Willen zu tun – wie es der zweite Text der Losung anregt – dann übe ich mich im Vertrauen auf seine bedingungslose Liebe! Dann übe ich mich im Anklammern an seine Weisheit, die einen Sinn sehen wird in dem, was uns sinnlos bleibt. Dann übe ich mich in der Hoffnung, dass er Wege weiß, wo uns keine Auswege einfallen. Dann übe ich mich im Aushalten der offenen Fragen. Und lasse ich mich fallen in die Zuversicht, dass Gott alles gut machen wird.

Gottes Wille – da bin ich gewiss – ist, dass wir ihm vertrauen und uns ihm an den Hals werfen, ihm klagen und ihn bitten.

Schwieriger wird mir, mich darin erst üben zu müssen: ich bin schon so lange erwachsen und habe zu lange geglaubt, ich schaffte alles aus eigener Kraft. Ich habe zu viele Kämpfe um meine Unabhängigkeit geführt und zu leichte Erfolge gehabt ohne großes Üben.

Corona kann mir Lektion werden.

Bleiben Sie gut behütet.

Anke Augustin