Geht aber und predigt und sprecht: Das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. (Matthäus 10,7)
Dieser Bibelvers ist Teil einer längeren Rede Jesu, in der er die Jüngerinnen und Jünger aussendet, um zu predigen und zu sprechen; wir fassen diesen Auftrag unter den Begriff Mission (lat. Missio, Absendung) – das klingt nicht in allen Ohren gut. Da kommen schnell unangenehme Erinnerungen an die Geschichte hoch. Da fallen uns schnell Zwang und Druck ein, mit denen man Missionierungen unter anderem auch mit dem Schwert in der Hand betrieben hat.
In verschiedenen Auslegungen werden die Jünger einerseits für die zwölf Stämme Israel, dann aber auch als Vielfalt des Christentums gesehen. Die Rede ist also ein Auftrag an alle diejenigen, die am christlichen Glauben interessiert sind. Sie ist damit auch ein Auftrag an uns, im Sommer 2019. Ich weiß wohl, dass wir sehr verschieden sind, auch in unseren Ansichten über Glauben.
Auch die Jünger Jesu damals waren keine einheitliche Schar, sondern sie waren so unterschiedliche Menschen wie Sie und ich, mit ihren Hoffnungen, Fragen und Zweifeln, mit unterschiedlichen politischen und gesellschaftlichen Meinungen. Jesus hatte sie nicht einfach gezwungen, genauso zu denken wie er, auch nicht über Gott. Geeint hat er sie mit diesem Auftrag, den sie auf ihre Art erfüllen sollten.
Er schreibt ihnen damit die Fortsetzung seines eigenen Wirkens zu, in dem Johannes als Vorläufer, Jesus als Hauptfigur, die Apostel als Botinnen und Boten Gottes und in deren zeitlicher Nachfolge wir als Gemeinde und Kirche heute verstanden werden können. Die Nähe des Himmelreiches ist dabei zugleich Fundament und Horizont des gesamten auch im folgenden Vers aufgetragenen heilenden Wirkens, hier gewinnen wir schon einen Blick auf Jesu späteres Austreiben von Dämonen. Der zu einer vier Teile umfassenden Befehlsreihe ausgestaltete Heilungsauftrag (Macht Kranke gesund, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus) lässt an Jesu eigene Taten zurückdenken.
Wir alle sollen der verlängerte Arm des Herrn sein und seine Liebe ausbreiten. Wie das geschieht, kann ganz unterschiedlich aussehen. Es müssen nicht alle predigen und es müssen auch nicht alle große Worte machen, aber alle können auf die eine oder andere Weise ihren Mitmenschen bezeugen, dass Gott uns Menschen mit großer Liebe nahe ist in seinem Sohn Jesus Christus.
Wir können das tun, indem wir es einfach leben. Wir brauchen uns zum Beispiel nicht anstecken zu lassen von großer Angst und Unzufriedenheit, die Menschen um uns herum immer wieder erfasst. Wir leben so und wir beten so, dass wir einfach davon ausgehen: Der Herr ist uns nahe – komme, was da wolle; ja, wir glauben, dass selbst der leibliche Tod uns nicht von ihm scheiden kann.
Und sogar der Säugling verkündigt: In seiner Hilflosigkeit macht er deutlich, dass keine menschlichen Voraussetzungen erforderlich sind, um in Gottes Reich zu gelangen. Auch mit Taten der Liebe kann man Gottes Reich verkündigen, zum Beispiel wenn man sich um Kranke kümmert oder um Menschen am Rand der Gesellschaft, den heutigen „Aussätzigen“.
Böse Geister austreiben, das können wir auch: Wir können durch unser Leben dazu beitragen, dass Menschen zum Glauben finden, mit Gottes Geist erfüllt und so aus dem Zustand der Beherrschung durch Neid und Gier, der Abhängigkeit von materiellen Gütern, herausgeholt werden.
Erzwingen können wir das nicht. Wir müssen erleben, dass unser Erzählen von einem sinnvollen Leben durch und mit Jesus Christus Menschen, auch hin und wieder die, die wir lieben, nicht erreicht. Dann dürfen wir uns aber von missionarischem Erfolgsdruck freimachen, letztlich sind wir nicht für das Seelenheil anderer verantwortlich; wir können und sollen niemanden überreden oder ins Reich Gottes zwingen. Ich stelle jedoch fest, dass im Urlaub, fern von der Hektik des Alltages, häufiger die Bereitschaft wächst, sich wieder oder neu mit diesem Angebot auseinanderzusetzen – die vollen Kirchen in den Urlaubsorten an Nord‐ und Ostsee stehen für mich als ein Hoffnungsschimmer dafür, dass es um das Interesse am Reich Gottes nicht so schlecht bestellt ist, wie es unsere Mitgliederstatistiken andeuten.
Vielleicht ergreifen Sie auch einmal wieder Gelegenheit, irgendwo ganz in Ruhe einen schönen, besinnlichen Gottesdienst mit einer hoffentlich ansprechenden Predigt zu besuchen. Möge Gott seine schützende Hand über uns halten.
Uwe Paulukat