Heute erreichte uns wieder einmal eine Frage, die sich mit einer christlichen Grundüberzeugung auseinandersetzt:
Frage:
Sollen und können wir wirklich glauben, dass Gott jeden Menschen bedingungslos liebt? Und dass diese Liebe jeden, also auch ganz üble Menschen einschließt?
Meine Antwort:
Ja! Gott liebt jeden Menschen bedingungslos – auch die, die gescheitert sind (auch übel gescheitert sind) … an seinen Geboten und Weisungen zum guten Leben für alle. Gott verachtet, Gott missfallen jedoch böse Taten von Menschen zutiefst – Taten, mit denen Menschen anderen Geschöpfen Übles antun, meint: ihre Lebensmöglichkeiten verhindern und zerstören. Ansatzweise also kann ich es so formulieren: „Gott liebt den Sünder – Gott hasst die Sünde.“
Um diese Spannung geht es im Neuen Testament, wenn dort vom „Jüngsten Gericht“ die Rede ist. Dabei geht es nun nicht um ein Druckmittel zur Mission oder eine Disziplinierungsandrohung für „aufmüpfige“ Menschen oder Ähnliches. Sondern darum, dass es eine echte Unterscheidung gibt zwischen Gut und Böse, richtigem und falschem Tun, Werken, die Gott gefallen und solchen, die Gott nicht will.
Menschen, denen Leid oder Übles angetan wurde, haben Sehnsucht danach – und ein Recht darauf –, dass ihnen Gerechtigkeit widerfährt, dass die Täter, die ihnen Schaden zufügten, zur Rechenschaft gezogen werden.
Wenn wir nun vom „Jüngsten Gericht“ reden, dem „Richterstuhl Gottes“, vor dem jedem Menschen einst offenbart wird, wie Gott sein Leben bewertet…, dann gehen wir von der Gewissheit aus, dass dieser Gott die Liebe selbst ist. So wie wir ihn in Jesus Christus unmissverständlich und eindeutig kennengelernt haben.
Dieser Gott bestraft mich niemals mit Liebesentzug!
Aber gerade vor diesem Horizont universaler Liebe – treten nun das Leid der Opfer und die Schuldanteile der Täterinnen und Täter umso schärfer hervor. „Die Liebe geht dem Schmerz voraus und ermöglicht ihn“, schreibt der katholische Theologe Ottmar Fuchs.
Vielleicht macht unsere menschliche Erfahrung deutlich, was gemeint ist: wenn wir einem geliebten Menschen Schmerz zugefügt haben, tut uns das dann bald selbst leid. Das heißt: unsere Liebe verschärft den Schmerz.
So geschieht es dann auch, wenn wir vor dem Angesicht Gottes der vollkommenen, bedingungslosen, unerschöpflichen Liebe begegnen, mit der Gott uns begegnet. Dann werden unsere Herzen weich werden. Wir werden spüren, wie weh wir anderen Menschen getan haben und wir werden es bereuen, was wir ihnen an Üblem zugefügt haben im Leben.
Also wird es nicht „billig“ zugehen am Ende (der persönlichen und auch der Weltenzeit), sondern es wird auch schrecklich weh tun (da wird „Heulen und Zähneklappern“ sein, heißt es im Matthäusevangelium).
Dann, und dadurch erst, aber wird Heilung und Versöhnung möglich. Durch den Schmerz hindurchzugehen, hindurchgehen zu müssen im Angesicht Gottes – schafft Heil. So ist die Botschaft vom Jüngsten Gericht eine Hoffnungsvorstellung, und keine Unheils- und Angstgeschichte.
Der oben schon zitierte Ottmar Fuchs wurde gefragt: “Glauben Sie, dass es Menschen gibt, die niemals weich werden, auch vor Gott nicht? Die – mit dem alten Bild gesprochen – in der Hölle sind, also für immer von Gott getrennt bleiben?
Darauf seine Antwort: „Das glaube ich nicht. Gott könnte nicht mehr universal gedacht werden, wenn es nur einen einzigen Menschen gäbe, der außerhalb seiner Wirklichkeit leben könnte oder müsste. Es wird am Ende gut ausgehen.“
Anke Augustin
Du weisst,wie sehr mich dieser Text von dir tröstet und mir Hoffnung gibt…..
Ich wünschte ,ich hätte es meiner Mutter auf dem Sterbebett auch noch so mitgeben können.Marina
Herzlichen Dank für Ihren Kommentar und die Frage zur Endzeit. Ich will gern, aus meiner Überzeugung heraus, eine Antwort versuchen:
Wir Christen glauben, dass im Leben, Leiden und Auferstehen Jesu Christi Gott selbst zur Welt gekommen ist, um ihr zu sagen: Ja, ich will das Leben! Unwiderruflich – unverbrüchlich! (Das ist also gemeint, wenn wir sagen „Gott versöhnte die Welt in Christus“.) Dieses Lebenswort Gottes wird nicht auf Dauer verborgen bleiben. Es soll und wird gehört werden von ALLER Welt. Gottes Wort wird NIEMAND widerstehen können. Gottes Machtbereich wird NIEMAND sich entziehen können. Sonst wäre Gott nicht „der allmächtige Gott“. Einst werden sich also – wie Paulus an die Gemeinde in Philippi schreibt (Phil. 2,10f.) – alle Knie ihm beugen und alle Zungen ihn als Herrn bekennen. Das bedeutet: Die GANZE WELT steht dann im Licht der großen Lebens-Zusage Gottes, ausnahmslos.
Nun scheinen sich andere Aussagen des Neuen Testamentes daran zu stoßen – z.B. solche, die von einem anscheinend „doppelten Ausgang“ des Gerichts am Ende der Zeit reden (z.B. eben Mt. 25.31ff). So, als ob es am Ende – wenn „Gott alles ist in allem“ (1. Kor. 15,28) – eine Gruppe gäbe, die im Licht des Liebes-Wortes Gottes lebt – und eine andere Gruppe, für die das dann nicht gälte.
Steht also die AN-kündigung des kommenden „Richters“ in Spannung zur VER-kündigung des gekommenen „Versöhners“? Wird durch die Erwartung Christi als Weltenrichter – die Gnadenzusage Gottes in Christus – sein BEDINGUNGSLOSES JA ZUM LEBEN – zurückgenommen?
Die Rede vom „Gericht“ will meiner Überzeugung nach ANREDE an die Christen sein (und nicht: „Reden über…“) Sie weist darauf hin: Es ist nicht beliebig, wie Christen LEBEN – ob sie mit ihrer Lebensführung Gottes Liebe schon heute in ihrem Alltag und für die Menschen um sich herum erlebbar, einladend und konkret machen, ob sie Verantwortung übernehmen für die Gestaltung einer friedlichen und gerechten Welt – oder ob sie eben das nicht tun!
Um einem „Lohn“ für ein gottgefälliges Leben (bzw. umgekehrt eine „Rache“ für ein Leben, das Gott nicht gefällt) geht es jedoch meiner Auffassung nach nicht. Die Anrede Gottes „Lebt wie ich es für euch will“ ist vielmehr ein Ruf zum Glauben, ein Ruf zur Hinwendung an Gott, ein Ruf zum Vertrauen, sich auf Gott einzulassen und ein Leben zu führen, das als sinnerfüllt erkannt und gespürt werden kann.
Dazu sagt der evangelische Theologe Walter Kreck: „Wenn der kommende Richter identisch ist mit dem gekommenen Versöhner und wenn hinter dem offenbarten Heilswillen Gottes kein anderer verborgener Wille steht, der ihm widerspräche, dann kann nicht postuliert werden, dass der Platz zur Linken besetzt sein müsse.“
Ich finde diesen Satz sehr tröstlich: Wenn denn das Evangelium „eine Kraft Gottes zur Rettung aller Glaubenden“ ist (Röm. 1,16), dann entzieht es sich, uns festzustellen, wie und wann Gott diesen Glauben denn wirkt (vielleicht ja erst im „Gericht“, wenn wir Gott sehen „von Angesicht zu Angesicht“).
Vertrauen dürfen wir aber alle Zeit, dass unser Kleinglaube gewiss beschämt wird durch Gottes grenzenlose Barmherzigkeit – und dann werden der Jubel und die Lebens-Freude unendlich sein – für alle!
Kann es wirklich sein, dass alle, wirklich alle, in Gottes Reich (Himmel) kommen?
Wozu muss ich mich dann noch an die 10 Gebote halten. Gilt denn Matthäus 25,31ff, die Rede über die Endzeit nicht mehr? Die katholische Lehre vom Fegefeuuer ist zwar recht tröstlich, doch ist sie auch der Bibel zu entnehmen?
Ich fürchte, das ist etwas einfach.