Und siehe, der HERR ging vorüber. (1. Könige 19,11)
Wechselbäder der Gefühle – wer kennt das nicht? Hin- und hergerissen zwischen Hoffnung und Hilflosigkeit. Wie auch immer es kommt, es kostet viel Kraft – keine Frage. Dem Propheten Elia erging es da nicht anders. Wir begegnen ihm in diesem Kapitel unter einem Wacholderbusch. Einen aufregenden Weg hat er hinter sich. Im Namen Gottes hat er den Wettstreit gegen die Baalspriester gewonnen. Doch das lässt diese ganz und gar nicht entspannt zurück – eher im Gegenteil.
Und so ist Elia auf der Flucht, weil man ihm jetzt nach seinem Leben trachtet. Die Flucht scheint der einzige Ausweg zu sein und bleibt doch ein Dilemma. Denn Elia fühlt sich – wie wir heute sagen würden – ausgepowert. Sein Akku ist leer, er kann nicht mehr: „Es ist genug.“
Übrigens ein Satz, den wir uns seit Monaten fast täglich zurufen: es ist genug mit diesem Virus, mit diesen Einschränkungen, mit dieser ständigen Angst, sich anzustecken. Erschöpfung, die allerorten mit Händen zu greifen ist.
Und dann kommt dieser Krieg – sinnlos, unmenschlich, gegen alle völkerrechtlichen Vereinbarungen. Unfassbar. Was ist zu tun? Und: wo ist denn Gott in alledem?
Elia geht es da – wie gesagt – nicht viel anders. Und vielleicht kann seine Geschichte ein Hoffnungsschimmer sein: für uns und für diese Welt, die sich gerade aufmacht, gänzlich aus den Fugen zu geraten.
In seiner Erschöpfung sind es Engel, die ihn zwei Mal wecken und ihm zu essen und zu trinken geben. Erst nach dem zweiten Mal kann er sich dann wieder aufmachen auf den Weg, der noch vor ihm liegt. Manchmal braucht es eben mehrere Schritte, mehrere Anläufe im Leben, um wieder auf die Füße zu kommen, um wieder auf den Weg zu kommen, den man sich wünscht.
Gott sagt dem langsam wieder zu Kräften gekommenen Elia zu, an ihm vorüberzugehen. Aber Gott erscheint anders, als wir es vermuten möchten: ein Sturm, ein Erdbeben, ein Feuer? Alles mächtige Machterweise, die so manches ins Wanken bringen. Aber in alledem ist Gott nicht. Sondern in einem ganz leisen Hauch.
Vielleicht die angemessenste Art, dem Elia in seiner Verfassung zu begegnen. Unser Gott kommt öfter auf sogenannten leisen Sohlen, als wir es für möglich halten. Er nimmt uns Menschen ernst, mit allem, was uns auf der Seele liegt. Er stellt sich auf uns ein, kommt uns nahe, findet den richtigen Ton. So schafft Gott es immer wieder, die Müden aufzurichten und den Kraftlosen neuen Mut zu geben.
Füreinander da sein, uns gegenseitig tragen, miteinander schweigen, miteinander weinen und gemeinsam einen Weg gehen. Und dann den leisen Hauch spüren, in dem Gott uns nahekommen, uns aufrichten, und ermutigen möchte. In allem und trotz allem.
Diese Hoffnung soll und kann uns tragen. Miteinander Worte finden oder miteinander schweigen. Auf jeden Fall Hand in Hand auf diesen Gott trauen, der alleine Herzen wenden kann. Auch im Kreml.
Wir beten:
Du, unser Gott, in allem, was uns in diesen Tagen die Sprache verschlägt, den Mut nimmt und Angst sät, willst Du uns nahe kommen und möchtest uns aufrichten und ermutigen für das, was vor uns liegt. Dafür danken wir dir. Amen.
Jörg Herrmann