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Gott hat es getan!

Wenn ich von meiner Schwester nach Hause laufe, komme ich an diesem Büdchen vorbei, wo eigentlich immer welche stehen, die es sich bei einer Flasche Bier und Zigaretten gut gehen lassen. Normalerweise kann ich nicht verstehen, was sie miteinander reden, dieses Mal aber hörte ich im Vorübergehen, wie der eine Mann, der dort stand, dem anderen sagte: Die Menschen bringen sich alle gegenseitig um! Eine steile These, dachte ich spontan, und dann musste ich lächeln, weil mir einfiel, dass schon meine Großmutter mir versichert hatte: Die Menschheit bringt sich selber um.

Und dann verflog mein Grinsen, weil witzig ist das nicht! Wenn das nämlich stimmt, dann bin auch ich betroffen, dann kann es auch mich erwischen, und: wenn ich die Nachrichten alle richtig deute: mich erwischt es doch jetzt schon. Plastik im Essen, viel zu hohe krebserregende Abgase, krankmachende Substanzen in Lebensmitteln, am Ende auch die ganze Waffenindustrie, denn alles, was man herstellt und verkauft, kann sich am Ende auch gegen einen selbst richten… Die Menschen bringen sich alle selbst um, mal auf die schleichende Art und Weise wie gerade beschrieben, mal ganz direkt mit Faust und Messer.

Warum tun wir das? Warum gehen wir nicht sorgsamer und vorsichtiger miteinander um, warum herrscht das Böse an so vielen Stellen, anders kann ich es gar nicht formulieren, denn das Gegenteil, das Gute würde doch sicher so aussehen, dass wir all unser Bemühen darauf richten, dass es allen Menschen gut geht, also alle genügend zu essen und zu trinken haben, gesund zu essen haben, wir versöhnt miteinander leben würden, wir darauf achten würden, uns unsere Lebensgrundlage nicht selbst zu zerstören, wir zum Beispiel ein echtes Interesse an sauberen Autos haben und, und, und.

Warum also machen wir alle Sachen, nicht nur die da oben, sondern auch ich, von denen wir genau wissen, dass sie weder gut sind  noch gut für uns sind. Und da spreche ich jetzt nicht nur von zerstörerischen Dingen, sondern auch von den vielen kleinen Lieblosigkeiten, Nachlässigkeiten, Gedankenlosigkeiten, die unser aller Leben eben auch prägen. Warum handeln wir so kurzsichtig und lassen uns von Kräften beherrschen, die gar nicht gut sind. Warum? Was treibt uns da an und warum lassen wir das zu?

Sie werden lachen, naja, vielleicht auch nicht – aber auch dem Apostel Paulus war schon klar, dass das Böse eine nicht zu unterschätzende Macht ist. Seine Ausführungen dazu legt er im Römerbrief dar. Im 7. Kapitel, den Versen 14 bis 25, schreibt er – zum besseren Verständnis in der Übersetzung der Guten Nachricht:

„Es steht außer Zweifel, dass das Gesetz von Gott kommt. Aber wir sind schwache Menschen, als Sklaven an die Sünde verkauft. Deshalb sind wir in unserem Handeln nicht frei: Wir tun nämlich nicht, was wir eigentlich wollen, sondern was wir verabscheuen. Wenn wir aber das Böse, das wir tun, gar nicht wollen, dann erkennen wir damit an, dass das Gesetz gut ist. Wir selbst sind es also gar nicht, die das Böse tun. Vielmehr tut es die Sünde, die von uns Besitz ergriffen hat. Wir wissen genau: In uns selbst, so wie wir von Natur aus sind, ist nichts Gutes zu finden. Wir bringen es zwar fertig, das Rechte zu wollen; aber wir sind zu schwach, es zu tun. Wir tun nicht das Gute, das wir gern tun möchten, sondern das Böse, das wir verabscheuen.

Wenn wir aber tun, was wir nicht wollen, dann verfügen wir nicht selbst über uns, sondern die Sünde, die von uns Besitz ergriffen hat. Wir sehen also, dass sich alles nach folgender Regel abspielt: ich will das Gute tun, aber es kommt nur Böses dabei heraus.

In meinem Bewusstsein stimme ich dem Gesetz Gottes freudig zu. Aber ich sehe, dass mein Tun einem anderen Gesetz folgt. Dieses Gesetz liegt im Streit mit dem Gesetz, dem meine Vernunft zustimmt. Es macht mich zum Gefangenen der Sünde, deren Gesetz mein Handeln bestimmt. Wir stimmen zwar mit der Vernunft dem Gesetz Gottes zu, aber mit unserem Tun folgen wir dem Gesetz der Sünde.“

Wir unglückseligen Menschen! Wer rettet uns aus dieser entsetzlichen Verstrickung? Wer entreißt uns dem sicheren Tod? Gott hat es getan! Ihm sei Dank durch Jesus Christus, unseren Herrn!

Paulus ist ja eigentlich einer, der normalerweise ganz schön hart im Nehmen ist, der nicht so schnell verzweifelt und doch eigentlich auch immer Lösungen parat hat, hier aber wird deutlich, dass auch er nicht nur an den Menschen, sondern gerade auch an sich selbst verzweifelt. Er will das Gute, weiß sogar, was gut ist und landet beim Gegenteil. Er will und scheitert. Er will wieder und scheitert erneut – Paulus kann das Gute nicht vollbringen, gefangen im Netz der Sünde, so formuliert er es, ist er zum Scheitern verurteilt.

Die Erfahrung, dass zwei Kräfte in uns wirken und wir der falschen Kraft nachgeben, diese Erfahrung kennen wir alle, diese Erfahrung ist eine ganz menschliche: Eigentlich wollte ich die Freundin besuchen, der es gerade nicht so gut ging, aber nach der Arbeit war ich so müde, dass ich doch lieber zu Hause blieb… Eigentlich wollte sie das gefundene Geld abgeben, aber dann konnte sie es doch ganz gut selbst gebrauchen, und so viel war es ja nicht… Eigentlich wusste er, dass Plastikgeschirr der Umwelt schadet, aber es war ihm dann doch zu mühsam, hinterher zu spülen… Eigentlich… Eigentlich war der Geist ganz willig, aber das Fleisch war dann doch zu schwach, war die Verlockung der Sünde viel größer, wurde das Gute hintenan gestellt.

Wie kann man aus diesem Teufelskreis herauskommen? Wie kann es möglich werden, die Macht der Sünde, die Herrschaft des Bösen zu brechen und eben doch ein gutes und gelingendes Leben führen, eins, das mir und den anderen guttut? Paulus fragt das ganz konkret an: Wer rettet uns aus dieser entsetzlichen Verstrickung? Wer entreißt uns dem sicheren Tod? Und er gibt dann gleich die Antwort, die in meinen Ohren wie eine Erlösung klingt: Gott hat es getan! Ihm sei Dank durch Jesus Christus, unseren Herrn!

Und natürlich stimme ich Paulus darin zu. Ja, das glaube und predige ich ja auch: Christus hat uns frei gemacht, er hat uns erlöst von der Herrschaft der Sünde, denn nun herrscht nicht mehr sie über uns, sondern Christus. Aber das kann ich jetzt trotzdem nicht behaupten, dass gelingendes Leben, also das Gute zu vollbringen, für Christinnen und Christen einfach ist, kein Problem sozusagen – das würden Sie mir auch sicher nicht glauben. Dafür ist unsere Welt einfach zu unerlöst, dazu schwebt über allem, dass die Menschheit sich gegenseitig selbst umbringt, und das spüren wir ja auch, genauso wie ich es anfangs gesagt habe, oft herrschen Lieblosigkeit, Egoismus und, und, und.

Nein, auch Christinnen und Christen müssen kämpfen und ringen, sich anstrengen, versuchen und scheitern, und doch haben sie es leichter: da ist einer an ihrer Seite, einer der gezeigt hat wie es geht, einer der verzeiht, wenn gescheitert wird, einer, der unseren Blick von uns selbst auf ihn und auf andere lenkt. Unsere Aufgabe ist es, uns immer wieder frei zu machen von uns selbst, wirklich alles auf Gott zu setzen, ihn immer wieder ins Herz zu lassen, in unseren Sinn, ihm, so seltsam es klingen mag, die Herrschaft über unser Leben zu übergeben.

Und das heißt letztendlich, darum zu wissen, dass wir als Menschen immer wieder scheitern. Dieses Wissen bewahrt uns auch vor einer überheblichen Arroganz,also der Vorstellung, wir könnten selbst die Welt erlösen. Es entlässt uns aber nicht aus der Verantwortung es immer und immer wieder erneut zu versuchen, und bindet uns auf diese Weise fest an unseren neuen Herrn. Und so können auch wir mit Paulus bekennen: Gott hat es getan! Ihm sei Dank durch Jesus Christus, unseren Herrn!

 Amen.

Friederike Seeliger

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