Ich erinnere mich, wie lautstark Menschen in unserer Apostelkirche in Essen-Frohnhausen in einem Konzert das sogenannte Steigerlied „Glück auf, Glück auf“ gesungen haben. Mit diesem Lied identifiziert sich bis heute eine ganze Region, die einst von Kohle und Stahl geprägt war. Der Refrain „Glück auf!“ beschwört das Glück, der Berg möge sich auftun, und den Abbau von Kohle oder Erzen ermöglichen.
„Glück“ galt immer schon als Inbegriff des „guten Lebens“, für den Einzelnen und für das Leben in unterschiedlichen Gesellschaften. Heute wird Glück durchaus treffend mit Lebenssinn und im religiösen Zusammenhang mit heilbringend übersetzt. Dadurch stellt sich die Frage: Passen Gott und Glück zusammen? Und wie kommt Glück überhaupt in der Bibel vor?
Als Begriff taucht „Glück“ an wenigen Stellen auf, etwa in der Erzählung von Josef und seinen Brüdern. Über den von seinem Brüdern in die Sklaverei nach Ägypten verkauften Josef heißt es: „Der Herr war mit Josef, und was er tat, dazu gab der Herr Glück“ (1. Mose 39,23). Gott, ein Glücksbringer, das Glück ein Geschenk.
An anderer Stelle im Alten Testament heißt es: Wer sein Glück zu machen versucht, der muss damit rechnen, dass alle Bemühungen buchstäblich ins Leere gehen: „Wiederum sah ich, wie es unter der Sonne zugeht“, so in Prediger 9,11: „Zum Laufen hilft nicht schnell sein, zum Kampf hilft nicht stark sein, zur Nahrung hilft nicht geschickt sein, zum Reichtum hilft nicht klug sein; dass einer angenehm sei, dazu hilft nicht, dass er etwas gut kann, sondern alles liegt an Zeit und Glück.“
Die Seligpreisungen, eine der meistzitierten Sätze des Neuen Testaments, thematisieren das Glück. Mit guten Gründen ist das dort gebrauchte griechische Wort „makarios“ immer wieder auch mit „glücklich“ übersetzt worden: „Glücklich die Sanftmütigen, denn sie werden das Erdreich besitzen… Glücklich die Friedfertigen, denn sie werden Gottes Kinder heißen“ (Matthäus 5). Das Evangelium von dem nahen Gott ist etwas, was uns im Innersten berührt, was unsere Seele mit der Welt verbindet, was die Leidenschaft für das Ergehen der Welt, also das Leiden unter Unrecht und Gewalt und die Hoffnung auf eine neue Welt, in unser Herz hineinschreibt.
Glücksforscher unserer Tage formulieren auf der Basis von Forschungen in der Psychologie Ratschläge zum Glück. Einige der Ratschläge haben eine große Nähe zur Bibel und zu christlichen Traditionen. Zum Beispiel: „Üben Sie Dankbarkeit.“ Hier wird eine Haltung empfohlen, die feststellt, dass wir nicht aus uns selbst heraus leben, sondern dass Gott Schöpfer der Welt und des Lebens ist. Das kann in einem Gottesdienst, zum Erntedankfest oder in Liedern wie „Nun danket alle Gott“ zum Ausdruck kommen.
Ein weiteres Bespiel: „Vermeiden Sie Grübeleien … und soziale Vergleiche. Neid und Glück passen nicht zusammen.“ Wer diesen Rat hört, denkt vielleicht an die Geschichte über den Verlorenen Sohn und dessen Bruder, der sich im Blick auf die Liebe des Vaters zurückgesetzt fühlt (Lukas 15).
Ein weiterer Rat: „Leben Sie im Hier und Jetzt.“ Ständig daran zu denken, was morgen anders sein könnte, fördert das Glücklich sein nicht, sondern vermiest uns das Heute. Man kann auch hier kommentarlos die Bibel zitieren, um auf die Berührungspunkte aufmerksam zu machen: „Sorgt nicht um euer Leben, was ihr essen und trinken werdet; auch nicht um euren Leib, was ihr anziehen werdet. Ist nicht das Leben mehr als die Nahrung und der Leib mehr als die Kleidung?“ (Matthäus 6,25).
Ein letzter Vorschlag zum Glücklich werden: „Kümmern Sie sich um Leib und Seele. Sport für den Körper, das bringt unmittelbar Wohlbefinden, und die Beschäftigung mit etwas Transzendentem, mit etwas, das über unser Ich hinausgeht, bringt Sinn und Tiefe in unser Leben.“ Über das körperlich Erfahrbare wird hier ganz konkret auch der Glaube angesprochen.
Für die Suche nach Glück in unserer Zeit hat das Angebot des christlichen Glaubens eine erstaunliche Bedeutung. Warum strahlen die Kirchen nicht mehr von dem Glück aus, das mit den genannten Grundwahrheiten verbunden ist? Der einzelne Christ und die einzelne Christin tun es zurzeit im Engagement für Menschen, die das Unglück in ihrer Heimat zu uns verschlagen hat. Das unverdiente Glück, solange im Frieden in unserem Land leben zu dürfen, motiviert heute ganz konkret zum Handeln.
Was für ein Glück, dass es damals bei der Flucht Jesu nach Ägypten keine Obergrenzen gab, sonst wäre das Neue Testament etwas anders und viel kürzer verlaufen.
Werner Sonnenberg