Am letzten Sonntagnachmittag war ich, der alte ehemalige Bergerhauser Pfarrer, richtig glücklich. Drei Ereignisse hatte ich miterlebt: Erstens – ein Oktoberfest mit Flüchtlingen; zweitens – einen theologischen Jugendgottesdienst mit Luther; und drittens – die Freude der Integrativen WG in „meinem“ ehemaligen Pfarrhaus, die soeben in Rimini den 1. Preis im Hip-Hop-Weltcup gewonnen hatte.
Das Oktoberfest fand samstags auf einer matschigen Wiese statt, in der sich der Catering-Lieferwagen festgefahren hatte. Es gab kein Bier. Aber Bänke gab es und Tische, und Reibekuchen und süßen Kuchen, Würstchen und Salate. Unsere Gastgeber waren lauter schwarzhaarige junge Männer. Sie wohnen im Flüchtlingsheim an der Pregelstraße. Jetzt bewirteten sie uns und lächelten uns zu. Wir, die Nachbarn, waren gekommen – viele freundliche Menschen, und die Ehrenamtlichen, die zum Teil alle Heim-Bewohner mit ihren Namen und Schicksalen kennen, und natürlich Pfarrer in Ruhe Dr. Eberhard Kerlen, Moderator des Runden Tisches Bergerhausen. Deutsches Akkordeon wurde gespielt, und es trommelte der junge Afrikaner, dem ich einst eine Bonga geschenkt hatte. Zum Schluss gelang es allen gemeinsam, den Wagen aus dem Matsch zu schieben. Was für ein Fest!
Für den Jugendgottesdienst am Sonntagmorgen auf der Billebrinkhöhe musste ich erst den Matsch vom Vortag von meinen Schuhen bürsten. Aber die Flüchtlinge blieben in den Beiträgen der Jugendlichen allgegenwärtig. Und Luther trat auf. WAS WICHTIG IST – das war sein vierfaches „Allein“: allein die Schrift, allein aus Glauben, allein Christus, allein aus Gnade. Er ließ es auf lateinisch an die Kirchenwand nageln. Dann wurde es übersetzt: ins Deutsche, und in die Gegenwart: ein mutiges und selbstbewusstes theologisches Unterfangen, bei der die verantwortliche Theologin, Heidrun Viehweg, nur äußerlich im Hintergrund blieb. Bei dem gesamten Gottesdienst, einschließlich der von der JuGo-Band begleiteten fetzigen Lieder, hatte ich das Gefühl, dass es um nichts Anderes als um das geht, WAS WICHTIG IST. Dazu durfte man nachher etwas schreiben oder für YouTube in die Kamera etwas sagen. Theologisch ganz glücklich gemacht hat mich das für diesen Gottesdienst entstandene Glaubensbekenntnis von Heidrun Viehweg.
Und weil das Integrationsmodell am selben Sonntag unten im Saal zum Flohmarkt-Café einlud, traf ich dort die Mitglieder der integrativen Wohngemeinschaft Billebrinkhöhe. Sie umringten mich: Wir haben im Hip-Hop-Wettbewerb gewonnen! In der Formation sind wir Vizeweltmeister geworden, und in der kleinen Gruppe Weltmeister!“ – „In Rimini?“ – „Ja, in Italien.“ – „Wart Ihr traurig? Ich habe gehört ihr hättet danach geweint“ – „Ja, wir haben geweint, aber vor Freude, vor Freude!“
Drei Mal Glück – kleine Ereignisse ganz am Rande der großen Kirche – aber vielleicht doch das, WAS WICHTIG IST.
Dieter Schermeier