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Diakonie. Gott sei Dank!

1. „Halleluja! Lobe den HERRN, meine Seele! Ich will den HERRN loben, solange ich lebe, und meinem Gott lobsingen, solange ich bin.“ So beginnt der 146. Psalm, den ich als Predigttext für die Vesper um Vier am 8. Juli – zum Abschluss des Marktkirchenfestes der Diakonie in Essen – ausgewählt habe. Passt das für einen Tag wie diesen, an dem Kirchenmusik und Diakonie zusammenkommen?

Und wie das passt! Das Staunen über das Wunder des Lebens, die Freude über das Leben, das Lob Gottes steht doch am Anfang von allem. Wir antworten darauf mit unserer Musik. Aber noch mehr: Wir antworten darauf mit unserem ganzen Leben.

Gott selbst ist Liebe. Das ist die zentrale Überzeugung der Christen. „Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist, der seine Hoffnung setzt auf den HERRN, seinen Gott, der Himmel und Erde gemacht hat …; der Treue hält ewiglich“. Aus Liebe hat Gott diese Welt und uns Menschen geschaffen. Gott lädt jeden ein, in seiner Schöpfung entsprechend mitzuwirken. Gott traut uns zu, in vielfältigen Formen diese Welt in Freiheit und Solidarität mitzugestalten.

Wenn wir unsere Dankbarkeit gegenüber Gott in der Musik laut werden lassen, wenn wir uns dem Menschen neben uns zuwenden und hilfreich zur Seite stehen, dann sind das zentrale Ausdrucksweisen, Gottes Liebe mit meinem Leben zu beantworten. Im reformierten Heidelberger Katechismus wird das unter dem Stichwort „Dankbarkeit“ klassisch so aufgenommen: „Wir sollen gute Werke tun, … damit wir mit unserem ganzen Leben uns dankbar gegen Gott für seine Wohltat erweisen und er durch uns gepriesen wird“.

2. Soweit so gut. Doch dann nimmt der Psalm uns erst einmal eine Illusion. Die Illusion, andere Menschen könnten uns retten. „Verlasset euch nicht auf Fürsten; sie sind Menschen, die können ja nicht helfen.

Macht Gott uns da nicht viel zu klein? Ist alles Bemühen in der Familie, in der Diakonie, in der Gemeinde also umsonst? Nein, natürlich nicht. Und doch ist es gut, keinen falschen Erwartungen zu erliegen. Fürsten damals waren mächtig, keine Frage. Die Mächtigen heute sind mächtig, keine Frage. Damals waren Hilfsbedürftige dem wankelmütigen und unberechenbaren Willen der Mächtigen ausgeliefert. Gut, dass das in unserem Land heute anders ist. Die Menschenrechte sind in Geltung. Es gibt Rechtsansprüche, um in schwierigen Lebenslagen Unterstützung zu bekommen oder das Recht auf einen Kita-Platz notfalls einzuklagen.

Und dennoch ist das so eine Sache mit den Erwartungen. Es gibt bekanntlich Menschen, die alles haben und doch nicht glücklich sind. Und es gibt Menschen, die unfassbare Schicksalsschläge erlitten haben und dennoch vor Freude strahlen. Es ist wichtig, Hilfe zu bekommen, wenn ich sie brauche. Doch im Letzten kommt es tatsächlich auf jeden Einzelnen an, wie er mit seinem Leben umgeht. Die brandneue Kita mit der besten Ausstattung ist keine Garantie für ein lebendiges und frohes Kind und für Eltern, die es in der Kita gut aufgehoben wissen. Das Altenheim mit der höchsten Versorgungsqualität, die man sich vorstellen kann, sorgt nicht automatisch für eine zufriedene Bewohnerin und ein beruhigtes Gefühl bei den Angehörigen.

Das Glück des Lebens hängt davon ab, wie ich mit dem umgehe, was mir widerfährt. Und da kommt der Glaube ins Spiel. Es geht um die tiefsten Überzeugungen, die mein Leben tragen. Ich kann nur einstimmen in den Psalm und es anderen weiterempfehlen: „Wohl dem, dessen Hilfe der Gott Jakobs ist, der seine Hoffnung setzt auf den HERRN, seinen Gott“. Gott ist die unversiegliche Kraftquelle des Lebens. Oder um es mit den Worten Martin Luthers zu sagen: „Gott ist ein glühender Backofen voller Liebe, der da von der Erde bis an den Himmel reicht.“ Jeder ist eingeladen, sich hier zu wärmen, Gott sei Dank.

3. Wie muss ich mir Gottes Liebe vorstellen? Da, wo die Welt, wie Gott sie sich vorgestellt hat, ins Wanken gerät, in Frage gestellt wird, wo sie sabotiert wird und Menschen ohne Schutz sind, wo sie in Gefahr sind, wo sie ausgebeutet, missbraucht oder misshandelt werden, mit unverschuldeten Handicaps umgehen müssen oder in selbstverschuldete Abwärtsspiralen geraten sind, steht Gott ihnen bei. Denn Gott ist ein treuer Gott: Gott „schafft Recht denen, die Gewalt leiden“ und speist die Hungrigen. Gott „macht die Gefangenen frei“, „die Blinden sehend“. Gott „richtet auf, die niedergeschlagen sind“. Gott „behütet die Fremdlinge und erhält Waisen und Witwen“.

So erweist sich Gott als Gott und als ein Gott der Liebe. Gerechtigkeit und Barmherzigkeit gehören zusammen. In Gott – und in unserem Leben. Im Psalm heißt das: „Der HERR liebt die Gerechten.“ Uns, und zwar jedem von uns, wird zugetraut, auf Gottes Spur mit dem Nächsten, mit dem Menschen neben mir, umzugehen. Und zwar unabhängig von der Person des Gegenübers. Ich zitiere einen Reformator, der in unserer Region nicht so bekannt ist. Er war in Wittenberg Luthers zuständiger Pfarrer und hat besonders im Norden Deutschlands mit Erfolg gewirkt: Johannes Bugenhagen. 1524 predigt er: „Wie Gott seiner Natur nach das Gute gibt, so auch die Christen … . Gott zeigt seine Barmherzigkeit, … um uns etwas zugute kommen zu lassen. So handelt der Christ auch nicht, um gerecht zu werden, sondern um seinem Nächsten zunutze zu sein. Gott ist barmherzig gegen alle Türken, Juden. So sieht der Christ auch nicht darauf, ob jemand rechtschaffen oder ein Übeltäter, klug oder dumm ist, ob er es verdient oder nicht verdient, sondern er soll darauf sehen, wer es nötig hat. … So handle auch du mit dem Nächsten!“

4. Genau deshalb ist die Diakonie für jeden da, der Unterstützung benötigt, unabhängig von Alter, Geschlecht, Religion, Nationalität oder sozialem Status. Genau deshalb muss sie dagegen halten, wenn die Verachtung von einzelnen oder von Gruppen zur Norm gemacht werden soll oder wenn Probleme in unserer Gesellschaft nicht genug Beachtung finden. Deshalb hilft die Diakonie gerade sozial benachteiligten Menschen und Menschen in Not. Und sie setzt sich gemeinsam mit anderen für eine gerechte, solidarische und inklusive Gesellschaft ein.

Allein in Essen sind rund 7.500 Hauptamtliche, 4.500 Ehrenamtliche und 570 Auszubildende zurzeit für die Essener Diakonie tätig. Sie tun dies bei rund 50 eigenständigen Trägern, evangelischen Kirchengemeinden und dem Kirchenkreis. So sieht Diakonie in Gottes Spur aus.

Aber Diakonie meint nicht „nur“ „die“ Kirche und ihre Diakonie. Jede und jeder ist aufgerufen, mit seinem Leben Gott zu antworten: mit Dankbarkeit, mit Freude am Leben, mit der Kraft der Musik, mit der Zuwendung und Hingabe an den Nächsten, voll Liebe und Leidenschaft.

5. Der Psalmbeter endet folgerichtig mit dem Ziel all unseres menschlichen Bemühens. Er weist damit in Gedanken weit über unser endliches Leben hinaus. Der Psalm mündet ein in das Lob Gottes in einer Welt, in der eines Tages tatsächlich Gott alles in allem sein wird und es keine Tränen, keine Gewalt, kein Leid mehr gibt: „Der HERR ist König ewiglich, dein Gott, Zion, für und für. Halleluja!“! Amen.

Andreas Müller