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Ist der Sonntag noch zu retten?

Darum segnete der HERR den Sabbattag und heiligte ihn. (2. Mose 20,11)

Spätestens ab Donnerstagmittag tönt es an allen Supermarktkassen: „Schönes Wochenende! In der Regel beginnt das Wochenende am Freitag und hat am Samstag sein geheimes Zentrum. An einem Samstagabend hörte ich die Moderatorin der Tagesthemen: „Ich wünsche Ihnen ein schönes Restwochenende.“ Der Rest vom Wochenende! Bleibt das vom Sonntag?

Juden feiern an unserem Samstag ihren Sabbat. Er beginnt am Freitag mit dem Sonnenuntergang. Dieser ausgesonderte Tag ist für Juden ein Identitätsmerkmal ersten Ranges. Grundlage ist ein Vers aus 2. Mose 20: „Gedenke des Sabbats: Halte ihn heilig! Sechs Tage darfst du schaffen und jede Arbeit tun. Der siebte Tag ist ein Ruhetag, dem HERRN, deinem Gott geweiht.“ Der Sabbat ist also ein ausgesonderter Tag, ein heiliger Tag der Ruhe; und ein alter jüdischer Satz lautet: „Mehr als Israel den Sabbat bewahrt, hat der Sabbat Israel bewahrt.“

Den Rhythmus der Siebentagewoche hat die Christenheit übernommen. Doch fast alle Konfessionen feiern nicht den letzten, sondern den ersten Tag der Woche, den Sonntag. Sie feiern ihn als Tag der Auferstehung Jesu. Das taten sie schon zu biblischen Zeiten. Später hat Martin Luther in seinem Katechismus das dritte Gebot so formuliert: „Du sollst den Feiertag heiligen.“

Wie auch immer: Jeden siebenten Tag als heiligen Tag zu feiern, schafft einen Rhythmus, der quer zu den Rhythmen steht, die uns sonst den Takt schlagen. Das sind vor allen Dingen die Rhythmen der Technik und des Marktes. Sie fordern, dass wir unsere Lebensweise den Produktionsbedingungen anpassen. Maschinen müssen laufen. Investitionen müssen „sich rechnen“.

Gewiss: Für die Alltagswelt ist die Frage nach Zweck und Nutzen unerlässlich. Als Alleinherrscher aber wird der Nutzen zum Diktator. Ein geheiligter Tag hingegen soll den Alltag heilen. Tanz und Spiel, Musik und Kunst, Anbetung und Feier geben der Seele Hoffnung und Kraft. Feiern aber kann niemand allein. Dazu braucht es gemeinsame Feiertage als heilsame Unterbrechungen von Pflicht und Arbeit. Allerdings: Viele Menschen müssen an Sonntagen arbeiten, um anderen das Leben und das Feiern zu ermöglichen.

Es ist aber ein Unterschied, ob Menschen arbeiten, weil das anderen Menschen dient, oder ob sie Diener der Rendite sind. Der Sonntag stellt uns vor die Frage: Ist uns überhaupt etwas heilig? Oder ist uns nichts heilig, weil alles käuflich ist? Hat nur das einen Wert, was sich verkaufen lässt? Der Sonntag soll uns davor schützen, dass unser Leben unter fremde Zwänge gerät.

Hermann Bollmann