Der westlichen Säkularreligion ist der Spott über Gott heilig: Dieser spitze Satz stand Anfang Februar im SPIEGEL. Der Kommentator Jan Fleischhauer hatte beobachtet, dass sich in unserer Gesellschaft weniger religiöse Fanatiker zu Wort melden als vielmehr säkulare. Die Säkularfanatiker erklären pauschal die Gottesfrage für obsolet, also für veraltet. Und was man für veraltet hält, darüber kann man getrost seine höhnischen Späße machen. Viele halten sich deshalb für modern. Sie trompeten ihr Überlegenheitsbewusstsein in die Welt und werden böse, wenn sie den Verdacht haben, „missioniert“ zu werden.
Als Konsens gilt: Religiöser Glaube soll Privatsache sein und bleiben. Das soll jeder mit sich selbst ausmachen. Dennoch ist das Recht auf die öffentliche Äußerung der eigenen Meinung unantastbar. In einer demokratischen Gesellschaft ist das auch gut so. Aber hat dieses Recht einen Stellenwert, der allem anderen überzuordnen ist? Absolut und letztgültig?
Absolut ist nach dem Neuen Testament nur die Liebe. Herabsetzung und Hetze gegenüber fremden Gewohnheiten und Gedanken mag als Meinungsäußerung zwar legal sein, ist aber eine armselige Frucht der Freiheit. Wem hingegen die Liebe ihre Grenzen setzt, den wird weder der Beifall motivieren noch die Angst vor Feindschaft daran hindern, in einer gelassenen und gewaltfreien Weise das zu sagen, was gesagt werden muss.
Dabei kann nicht alles gleich gültig sein. Es ist ja widersinnig, wenn sich die Freiheit dadurch aufhebt, dass sie ungeprüft für alle und alles gilt. Wir leben in einer offenen, pluralistischen Gesellschaft. Ihr Kennzeichen ist, dass sie keine allgemein verbindlichen weltanschaulichen, religiösen oder ethischen Lebens- und Wertvorstellungen zur Grundlage hat. Das heißt auch: In einer Welt, die nur das physisch Wahrnehmbare für wirklich hält, haben es religiöse Wahrheitsansprüche schwer.
Dietrich Bonhoeffer wird ein Satz zugeschrieben, der sinngemäß ungefähr so heißt: „Es gibt einen Kilimandscharo und es gibt eine Sahara; aber einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“ Das verstehe ich so: Bonhoeffer war der Wirklichkeit Gottes durchaus gewiss. Er wollte aber zeigen, dass Gott nicht eine „Sache“ ist, also ein Objekt, über das sich objektiv reden lässt.
Von Gott können wir nur sprechen, indem wir uns berühren lassen vom Wort der Bibel. Darin spricht Gott uns an. ER will in uns das Vertrauen wecken, dass ER sich uns durch den gekreuzigten und auferstandenen Jesus Christus zu erkennen gibt.
Natürlich werden viele fragen: Warum gerade durch Jesus? Gibt es nicht auch andere Wege? Vielleicht. Doch ich kenne keinen. Als Wegweiser aber taugt nur, wer Wege weist, die er kennt. Ob Christ oder Nichtchrist: Die Suche nach Gott gehört zum Menschen. Wäre das nicht so, so könnte Religion nicht so schrecklich missbraucht werden, wie das gegenwärtig geschieht.
Hermann Bollmann