Dieser Beitrag wurde 2.118 mal aufgerufen

Doppelter Gewinn: Was kann klüger sein?

Klaus Blatt ist Physiker und Manager im Vorruhestand, er ist Vater zweier erwachsener Töchter und verheiratet mit Henny Dirks-Blatt, Pfarrerin in der Evangelischen Kirchengemeinde Margarethenhöhe. In seiner Freizeit wirbt er ehrenamtlich dafür, Geld so anzulegen, dass es sozial positiv wirkt: Seit 13 Jahren sind seine Frau und er Mitglied und Anleger bei Oikocredit. Blatt engagiert sich zunehmend für die internationale Entwicklungsgenossenschaft, auch in der soeben gegründeten Regionalgruppe Essen.Warum, verrät er im Interview.

Warum engagieren Sie sich für Oikocredit?

Klaus Blatt: Je älter ich werde, desto mehr treibt mich um, was mit meinem Geld passiert. Dass ein Teil unserer Ersparnisse anderen Menschen nutzt, war meiner Frau und mir immer wichtig. Der Blick schärft sich mit der Zeit. Die Finanzkrise haben wir in Peking erlebt, wo ich vier Jahre gearbeitet habe – mit gutem Gehalt. Bessere finanzielle Möglichkeiten waren auch eine Aufforderung, noch genauer nachzufragen: Was geschieht mit dem Geld, das übrig ist, das angelegt wird? Der Gegensatz zwischen Arm und Reich ist in China unglaublich krass. „Wie halten die das aus?“, haben wir uns oft gefragt. Warren Buffet, drittreichster Mann der Welt, hat einmal sinngemäß gesagt: Wir führen Krieg. Reich gegen Arm. Wir gewinnen. Das will ich nicht akzeptieren, nicht einfach hinnehmen!

Was genau macht Oikocredit?

Klaus Blatt: Oikocredit finanziert im globalen Süden sozial orientierte Unternehmen, Organisationen und Genossenschaften. Diese schaffen Arbeitsplätze, fördern kleinbäuerliche Landwirtschaft und bieten benachteiligten Menschen Zugang zu Krediten, Sparmöglichkeiten und Versicherungen. Oikocredit kommt aus dem Kontext des Weltkirchenrats Mitte der siebziger Jahre. Ein paar Menschen suchten und fanden Möglichkeiten, die Rücklagen der Kirchen gerechtigkeitsfördernd einzusetzen. Die Mehrheit der Kirchen selbst bleibt übrigens zögerlich. Dafür legen immer mehr Privatleute Geld bei Oikocredit an. So wurde die Genossenschaft zu einem der größten privaten Entwicklungsfinanzierer.

Was überzeugt Sie an der Arbeit der Genossenschaft Oikocredit besonders?

Klaus Blatt: Dass sie Hilfe zur Selbsthilfe leistet und Menschen darin unterstützt, ihre Existenz zu sichern und ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Genossenschaftliche Struktur gepaart mit Kompetenz und Professionalität: das gefällt mir. Ich kann alles einsehen, mich über jede Partnerorganisation informieren, jede Frage ist erlaubt. Es gibt Büros in 35 Ländern, von denen aus einheimische Fachkräfte Projekte weltweit auswählen, beraten, schulen und begleiten. Das ist wichtig. Es gibt genügend schlechte Beispiele, wie man von hier aus versucht, die Welt zu beglücken. Die Menschen vor Ort wissen selber am besten, was sie brauchen.

Wie sieht Ihr wachsendes Engagement aus?

Klaus Blatt: Ich bin einer Einladung des Westdeutschen Förderkreises zum Multiplikatorentreffen in Essen gefolgt. Seitdem arbeite ich an Infoständen mit, beispielsweise beim Heldenmarkt, einer Messe für alternative Produkte, und engagiere mich in der neuen Regionalgruppe Essen. Wir beteiligen uns am Fokusjahr Westliches Ruhrgebiet und bereiten mehrere Veranstaltungen vor. Über die Förderkreise können Privatpersonen bei Oikocredit Geld anlegen, Mindestanteil 200 Euro. Der Westdeutsche Förderkreis, für unsere Region zuständig, ist übrigens größter Einzelinvestor bei Oikocredit. 6.000 Mitglieder hatten letztes Jahr über 100 Millionen Euro angelegt.

Wenn es um Geld geht, sind die meisten Menschen eher zurückhaltend. Wie reagiert Ihr Umfeld?

Klaus Blatt: Ich erzähle gern von Oikocredit, poste auch schon mal etwas in sozialen Netzwerken. Das trifft auf Interesse und auch auf Ängste. Inzwischen wächst die Entscheidungsfreude in meinem Bekanntenkreis. Ich finde überzeugend, dass mein Geld nicht weg ist, anders als bei Spenden. In der Regel bekomme ich sogar zwei Prozent Rendite; für Geld, das ich so anlege, dass benachteiligte Menschen davon profitieren. Gewinn auf beiden Seiten also. Was kann klüger sein? Letztlich ist mein Engagement immer auch Selbstbefragung: Ich kann doch nicht in der Kirchengemeinde dafür eintreten, dass Wasser ein Menschenrecht ist, und dann nach Hause gehen und Aktien von Nestlé und Coca Cola kaufen!

Veranstaltungshinweis

Wer sich aus erster Hand informieren will, dem sei die folgende Veranstaltung empfohlen: „Ethisches Investment: Verbrauchermacht oder Augenwischerei?“ Vortragsveranstaltung mit dem Wirtschafts- und Finanzjournalisten Hermann-Josef Tenhagen, ehemaliger Chefredakteur von FinanzTest, am Freitag, 29. Mai, um 18.30 Uhr in der cubus kunsthalle in Duisburg, Friedrich-Wilhelm-Straße 64.

Kurzinfo zu Oikocredit

Aktuell investiert Oikocredit 735 Mio. Euro in mehr als 800 Partnerorganisationen in 63 Entwicklungs- und Schwellenländern. Wachsende Zusammenarbeit mit Fair Trade-Organisationen, verstärktes Augenmerk auf die Länder Afrikas, auf erneuerbare Energien und auf die Förderung und Finanzierung der Landwirtschaft sind aktuelle Schwerpunkte. Von den 53.000 Anlegerinnen und Anleger insgesamt (Stand 31.12.2014) sind rund 22.500 in Deutschland. Sitz der internationalen Oikocredit-Zentrale ist Amersfoort. Kontakt: Oikocredit Westdeutscher Förderkreis, Geschäftsstelle Bonn, Adenauerallee 37, 53113 Bonn, Telefon 0228 / 6880-280. Homepage von Oikocredit.