Seid allezeit bereit, Rede und Antwort zu stehen vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist. (1. Petrus 3,15)
Wer diese Worte aus dem ersten Brief des Apostels Petrus liest, wird wohl zuerst an den Worten „Rede und Antwort“ und „Rechenschaft“ hängen bleiben und sie mit den Veröffentlichungen der Missbrauchsstudie der Evangelischen Kirche in Deutschland verbinden. In ihr wird sehr klar die Schuld von Institution und Menschen der Kirche benannt. Die Betroffenen kommen deutlich zu Wort und es wird offenbar, wie groß das Versagen der Evangelischen Kirche ist.
Rede und Antwort zu stehen für das, was geschehen ist, ob es die Taten betrifft oder den unfassbaren Umgang mit den Betroffenen, das wird ganz zurecht gefordert und es geschieht. Es wird weiter geschehen müssen, denn nicht alle Akten wurden eingesehen und die Dunkelziffer ist hoch.
Als dieser Satz aus dem ersten Petrusbrief geschrieben wurde, war das Thema aber ein anderes. Es ging nicht um das Leid, das Christinnen und Christen verursacht oder nicht verhindert haben, sondern um das, was sie als verfolgte Minderheit erlitten haben. Und so selbstverständlich es im Blick auf die Studie ist, Rechenschaft zu fordern, so wenig klar war das in der damaligen Situation. Offen und vor aller Augen und Ohren als Christus-Nachfolger:in aufzutreten, das konnte schwerwiegende Konsequenzen haben, zu Ausgrenzung und Verfolgung führen.
Heute begegnen wir eher Gleichgültigkeit und erfahren Bedeutungslosigkeit. Vielleicht auch, weil wir seit zu langer Zeit viel zu sehr mit uns selbst beschäftigt sind, so dass wir immer seltener zur Verfügung stehen, um Rede und Antwort zu geben oder uns zu aktuellen Themen zu Wort zu melden.
Verändert hat sich aber auch, dass immer weniger Christ:innen in der Lage sind, wie es der Briefeschreiber formuliert „jedermann Rechenschaft abzulegen über die Hoffnung“, die in ihnen ist. Wenn wir an der einen Stelle so deutlich von Schuld und Versagen sprechen, dann müssen wir an der anderen Stelle auch von der Verantwortung sprechen. Nicht nur von der Verantwortung, wie wir mit dem oben Genannten umgehen, wie wir neben Aufarbeitung auch die Prävention stärken und darin entschlossen und transparent handeln, sondern auch von der Verantwortung, die wir gemeinsam für unsere Kirche und unseren Glauben tragen.
Und dazu gehört für mich, dass viel mehr Energie darauf verwandt werden müsste, die Menschen sprachfähiger zu machen für ihren Glauben. Auch das ist eine Aufgabe, die uns alle angeht. Rechenschaft abzulegen als ein „auf Wissen gestütztes Bekenntnis“. Es abzulegen stärkt unser Selbstbewusstsein in mancher Diskussion.
Schließlich schreibt Petrus: „Seid allezeit bereit, Rede und Antwort zu stehen vor jedermann, der von euch Rechenschaft fordert über die Hoffnung, die in euch ist.“
Wir sollen Rede und Antwort stehen – und zwar nicht über unseren Glauben in allen Einzelheiten, sondern vor allem und zuerst über die Hoffnung, die in uns ist. Die stärkste Hoffnung ist für mich dabei die, dass ich in meinem Leben von Gott begleitet werde. Die Erfahrung und Zusage von Gottes Begleitung gehört zu den Grunderfahrungen des Volkes Israel und es ist eine, die sich auch im Leben vieler Christ:innen bis heute durchzieht.
Diese Hoffnung feiern wir in den drei großen Kirchenfesten der nächsten Monate. An Karfreitag und Ostern die Hoffnung, dass Gott ein mitleidender Gott ist und zugleich dem Tod nicht das letzte Wort lässt. An Himmelfahrt, dass Jesus uns vorausgegangen ist und wir ihm nachfolgen, um für immer in Gottes Nähe zu bleiben, von dem uns nichts und niemand trennen kann. Und an Pfingsten die Hoffnung, dass Gottes Geist unter uns gegenwärtig und am Werk ist – und nicht nur drängt, sondern uns vor allem ermutigt, an einer Kirche zu bauen, die ein guter Raum für alle ist, in dem wir gemeinsam auf dem Weg sind. Durch Veränderungen und Neuanfänge hindurch, in Schuld und Vergebung, indem wir Zeugnis geben von der Hoffnung, die uns trägt.
Markus Söffge