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Auf einem Esel

Es ist eine Woche vor Ostern und bestimmt sehen Sie auch diesem Fest mit gemischten Gefühlen entgegen. Was wird möglich sein? Wen werden wir besuchen dürfen? Noch eine Woche, in der viel geschehen kann…

So war das damals auch. Jesu letzte Woche, in der sich die Ereignisse zu überschlagen scheinen. Sie beginnt damit, dass Jesus mit seinen Freund*innen nach Jerusalem aufbricht. Und das spricht sich schnell herum: Am nächsten Tag hörte die große Menge, die sich zum Fest in der Stadt aufhielt: Jesus ist auf dem Weg nach Jerusalem. Da nahmen sie Palmzweige und liefen ihm entgegen.

Viele haben von Jesus gehört. Sie setzen großes Vertrauen und große Hoffnung in ihn. Er soll schon sehr vielen Menschen geholfen haben. Kranke wurden wieder gesund, sogar einen toten Freund hat er wieder zum Leben erweckt. Bei ihm dürfen sich alle willkommen und angenommen fühlen. Niemand wird weggeschickt und natürlich nimmt er sich auch für die Kleinsten, für die Kinder, Zeit.

Und da ist noch mehr. Es sind nicht nur diese Geschichten, die sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen haben. Sie fühlen auch die alte Sehnsucht nach Frieden wieder in sich aufsteigen. Sie erinnern sich an die Verheißungen ihrer Mütter und Väter. Hatten die nicht von einem Retter erzählt? Ob er das wohl ist? Und so lassen sie sich gegenseitig mitreißen in ihrer Freude, dass jetzt endlich eintritt, worauf schon so viele Generationen vor ihnen gehofft hatten: Sie riefen: „Hosianna! Gesegnet sei, wer im Namen des Herrn kommt! Er ist der König Israels!“ (Johannes 12,12-13). So erleben sie Jesus dann auch, wie er in diese Stadt hineinzieht, begleitet von den Menschen, die in den letzten Monaten an seiner Seite waren.

Und er kommt tatsächlich sogar auf einem Reittier – so wie es Könige tun. Nur dass er auf einem jungen Esel sitzt und nicht auf einem prächtigen Pferd. Seine Freund*innen haben anstelle eines Sattels Kleider auf das Tier gelegt. Es ist gewohnt, Lasten zu tragen. Es ist dafür bekannt, besonnen zu handeln, weil es im Gebirge schnell abstürzen könnte. Im Alten Testament wird die Eselin des Sehers Bileam sogar dafür gelobt, dass sie im Gegensatz zu ihrem Reiter den Engel lange vor ihm erkennen konnte. Der Esel, ein Tier, das versteht und eher zu den Armen passt als zu den Reichen und Mächtigen. Jesus, der König, der auf einem Esel reitet, das passt.

Wie lange diese Szene wohl gedauert hat? Und ob sie sich wirklich so zugetragen hat? Manches ist vielleicht auch erst nach Ostern weiter ausgeschmückt worden. Aber wie auch immer, das Bild von Jesus auf dem Esel, bejubelt von einer Menge, die mit Palmzweigen wedelt, hat sich für immer in die Herzen der Menschen eingebrannt. Ein Stück Fröhlichkeit und Ausgelassenheit, mitten in einer gefahrvollen Zeit. Ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Anwesenden mit den Verheißungen der Mütter und Väter im Gedächtnis.  Eine kurze Pause mitten in den Ereignissen, die dann unbarmherzig ihren Lauf nehmen werden.

Vielleicht lassen wir uns mitreißen von diesem Jubel, obwohl wir das auch in diesem Jahr wieder nur zu Hause können. Vielleicht lassen wir uns berühren von der Einheit zwischen Jesus und dem Esel. Vielleicht können wir uns geborgen fühlen, eingebettet in die Tradition, von der auch wir ein Teil sind, umgeben von unseren Vorfahren, die in bedrückenden Zeiten nie die Hoffnung aufgegeben oder den Mut verloren haben. Vielleicht rührt uns das Bild der Freund*innen, die an Jesu Seite waren, auch wenn sie Fehler gemacht haben – alles zutiefst menschlich und darum so authentisch – und mitten in allem Gott, der nie auch nur eine*n von ihnen und von uns fallen gelassen hätte oder fallen ließe.

Welch ein fürsorglicher Gott. Jeden Tag an unserer Seite, auch gerade jetzt mitten in der Pandemie.

Wir beten:

Guter Gott, es ist Palmsonntag, und schon zum zweiten Mal können wir ihn nicht so feiern wie sonst, mit vielen Kindern und Erwachsenen, mit Esel und Palmzweigen. Gottesdienst feiern wir aber trotzdem, denn egal wo wir sind, Du bist bei uns und schenkst uns jeden Tag wieder neue Hoffnung. So sind wir verbunden: Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen.

Sabine Grüneklee-Herrmann