Wie wird es sein, wenn Sie in gut einem Monat lesen, was ich heute schreibe? Im Grunde frage ich mich das jedes Mal, wenn ich eine Andacht für unseren Gemeindebrief schreibe. Ich versuche mich in die Zeit fünf Wochen später zu versetzen und überlege, was dann „dran sein“ könnte.
Dieses Mal fällt es mir schwer. Noch immer gibt es ständig neue Nachrichten: Lockerungen, regionale Lockdowns, Hotspots, Regionen ohne Neuinfizierte, der Blick in die Welt, der einen erschauern lässt, und, und, und. Wir fahren auf Sicht. Wir hoffen – und nicht wenige bangen auch. In welcher Situation werden wir in fünf Wochen sein?
Auf meinem Schreibtisch steht ein kleiner Engel, nur ein Fingerglied groß. Es ist ein außergewöhnlicher Engel, den diese Zeit hervorgebracht hat. Der Engel trägt ein besonderes Accessoire, das uns allen mittlerweile wohl vertraut ist. Der kleine Engel trägt einen Mund-Nase-Schutz. Ein Schutzengel in Corona-Zeiten!
In der Bibel heißt es: Der Engel Gottes rührte Elia an und sprach: Steh auf und iss! Denn du hast einen weiten Weg vor Dir!
Nun hat der Engel auf meinem Schreibtisch keinen Picknickkorb bei sich. Aber er rührt mich an, immer wenn er in mein Blickfeld gerät. Es gab ihn mit rotem Kleid, mit gelbem oder mit blauem, ich habe ohne nachzudenken grün gewählt. Erst viel später wurde mir klar, dass grün die Farbe der Hoffnung ist. Der Engel im grünen Kleid mit dem Mund-Nase-Schutz schenkt Hoffnung.
Und auch wenn er keinen Picknickkorb dabei hat, stellt sich die Frage nach der Wegzehrung. Was gibt Kraft aufzustehen, was schenkt Hoffnung, sich wieder auf den Weg zu machen?
Mit vielen Menschen habe ich in den letzten Wochen am Telefon gesprochen und ich habe trotz vieler verständlicher Sorgen auch immer wieder Hoffnungszeichen gehört, Engelspuren entdeckt: Dankbarkeit für das, was im Grunde immer als selbstverständlich hingenommen wurde, die Muße, auch auf das oft Übersehene zu achten, die schöne Überraschung, wenn jemand anruft und fragt: Wie geht es Dir? Auch die Erfahrung, wie schnell man sich einstellen kann auf Veränderungen.
Und manchmal haben wir das Gespräch am Telefon mit einem Vater unser beendet – uns der bleibenden Gegenwart Gottes vergewissert. Denn darauf können wir uns auf unserem Weg verlassen.
Es ist ein weiter, ein langer Weg. Niemand kann mit Sicherheit sagen, wie es werden wird. Wir alle hoffen gut – ohne zweite Welle, dass bald ein Impfstoff zur Verfügung steht und dass die Folgen von Corona so gut es geht abgefedert werden können. Ihre Spuren wird diese Zeit trotzdem auf vielfältige, oft gravierende und auch traurige Weise hinterlassen.
Auch wenn der weite Weg ein langer ist, ist es kein enger Weg. Es ist ein weiter Weg, der breit genug ist, dass Gottes Engel neben Dir gehen kann! Auf Gottes Gegenwart in unserem Leben setzen wir unsere Hoffnung. Daran erinnert der Engel im grünen Kleid.
Ich wünsche Ihnen alles Gute. Gott begleite Sie!
Andrea Seim