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Über die Sehnsucht nach Brot und Wasser

Eines bitte ich vom HERRN, das hätte ich gerne: dass ich im Haus des HERRN bleiben könne mein Leben lang, zu schauen die schönen Gottesdienste des HERRN und seinen Tempel zu betrachten.“ (Psalm 27,4)

Nie hätte ich gedacht, dass die Bitte des Psalmbeters meine Bitte werden könnte. Völlig ausgeschlossen schien mir, dass es untersagt werden würde, Gottesdienst zu feiern. Es waren sechs Wochen. Und die Auflagen unter denen es wieder möglich ist, sind streng. Und vieles, was an Gottesdiensten wichtig ist, ist weiterhin kaum oder gar nicht möglich.

Für mich ist Gottesdienst die spirituelle Kraftquelle der Woche. Mit ihm beginnt für mich eine neue Woche voller Möglichkeiten und Herausforderungen, denen ich als von Gott Gesegneter begegnen kann. Ob als Liturg und Prediger oder ob als Besucher: Gesang, Lesung, Gebet, Gemeinschaft, Segen sind für mich geistliches Brot und Wasser. Und die letzten Wochen musste ich stattdessen mit Astronautennahrung auskommen. Statt zu backen und zu schöpfen, mussten ich und all meine Kolleginnen und Kollegen an den Chemiebaukasten.

Dabei ist mitunter Spannendes und Gutes herausgekommen. In vielen Gemeinden gab und gibt es teils großartige Angebote. Und manche von denen sind für viele vielleicht zugänglicher als unser klassischer Sonntagsgottesdienst. Von daher wären gelungene Experimente zu bewahren, auch dann, wenn wir wieder klassisch feiern dürfen. Und vielleicht wäre auch am Brotrezept zu arbeiten, solange das wesentliche erhalten bleibt oder auch wieder neu entdeckt wird: die Erfahrung, dass wir als Gottes Kinder gesegnet durch dieses Leben gehen dürfen und das nicht allein, sondern in Gemeinschaft.

Ich sehne mich nach diesem Brot und Wasser. Und sei es trocken und trüb. Denn das ist für die nächsten Monate zu befürchten, dass die Auflagen das klassische Feiern erschweren. Vielleicht finden wir gute Ideen, schmackhafte Rezepte, die uns trotz allem das wesentliche erleben und spüren lassen.

Ich weiß aber natürlich auch, dass die wenigsten Menschen Gottesdienst in dieser Weise erleben – es gibt selbst unter Pfarrerinnen und Pfarrer viele, die nur dann Gottesdienst feiern, wenn sie diesen selbst halten – und ich sehe (oder momentan eher: sah) ja jeden Sonntag, dass nur wenige Menschen regelmäßig zum Gottesdienst kommen.

Darum stelle ich mir auch immer wieder die Frage, wie ich backen und schöpfen müsste, damit sich mehr Gemeindeglieder ermutigt fühlten, von Brot und Wasser zu probieren und nach der Kostprobe auch wiederzukommen. Das fällt mitunter schwer, denn mir schmeckt das Brot und Wasser, mir ist es geistliche Speise, und ich erlebe es äußerst selten, dass es mir oder anderen so misslingt, dass ich hungrig und auf diesen Segen begierig zurückbleibe. Und vermutlich wäre mir nun selbst dieses karge Brot recht, könnte ich es nur empfangen.

Ich freue mich daher schon darauf, wenn wir wieder feiern – doch das will und muss gut vorbereitet sein.

Bis dahin, bleiben Sie unter Gottes Segen

Martin Keßler