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Warum ich dankbarer leben will

„Denn alles, was Gott geschaffen hat,  ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet“ (1. Timotheus 4,4-5).

Erntedank hat in erster Linie etwas mit Danken zu tun und in den vergangenen Jahren war das bei mir auch so, aber in diesem Jahr ist irgendwie alles anders. In diesem Jahr hat dieses Fest, das wir am kommenden Sonntag feiern und das ich eigentlich so liebe – einfach auch, weil ich die Farben im Oktober so gern habe, das Gelb, Orange und Rot, das satte Grün und auch das Braun – in diesem Jahr hat Erntedank bei mir auch etwas mit Scham und Schämen zu tun.

Angefangen hatte es ganz unscheinbar vor Wochen. Mir war alles zu viel, irgendwie ging mir alles auf die Nerven. Angefangen von dem ganzen Nippes, der sich im Laufe eines Lebens so ansammelt, Bücher, Kleidung usw. Also habe ich beschlossen, etwas zu ändern, klagen kann ich ja, aber dabei wollte ich nicht stehen bleiben. Und deshalb habe ich für mich die Parole ausgegeben, dass ich zu Hause bei mir selbst anfangen wollte. Generalstabsmäßig anfangen wollte, nicht nur halbherzig wie sonst.

Und aus diesem Grund habe ich mir ein neues Buch gekauft, von dem ich schon gehört hatte, das es erfolgversprechend sei: Marie Kondo, „Magic cleaning“. Marie Kondo ist eine Japanerin, die das Aufräumen zur Perfektion gebracht hat und dadurch Leben verändert, sagt sie, behaupten aber auch ihre Fans. Ich habe also besagtes Buch gelesen, mit große Interesse und dann losgelegt.

Frau Kondo ist der Meinung, dass man nicht Zimmer für Zimmer aufräumen soll, wie ich das sonst auch immer getan habe, sondern nach Kategorien. Anfangen soll man mit Kleidung, weil das Ausmisten von Kleidung am leichtesten falle, später kommen dann Bücher dran, Papiere, Erinnerungsstücke usw… Wenn man mit dieser Methode fertig ist, dann hat man jedes einzelne Teil, das man besitzt, also wirklich jedes Teil, jedes einzelne Foto usw. einmal in Händen gehalten.

Zunächst also soll man alles, was man zum Anziehen hat, in die Mitte eines Zimmers auf den Boden legen, sich dazu setzen und  dann Teil für Teil in die Hand nehmen, und jetzt kommt es: und sich fragen, ob dieses Teil einen glücklich macht. Das soll man am Ende seines Aufräumprozesses wirklich jedes Teil auch gefragt haben, auch jedes Foto!

Frau Kondo geht davon aus, dass man das spürt, dass die Dinge sozusagen mit einem sprechen. Wenn einen etwas nicht glücklich macht, soll man sich bei seinem Kleidungsstück oder was auch immer man gerade in der Hand hält, bedanken und es weiterziehen lassen, entweder in die Kleidersammlung, in Secondhand-Läden, den Mülleimer oder Schredder. Wenn man zu viel Kleidung hat, dann darf man auch, in kleinere Gruppen aufgeteilt, aussortieren. Also alle Accessoires oder Überbekleidung, naja, wie es halt kommt.

Ich habe mit meiner Strumpfschublade angefangen. Meine Angst, ich hätte keine schwarzen Socken und Strumpfhosen, kann ich begraben. Ich habe. Ich habe genug. Mehr als genug! Ich hatte jede einzelne Socke in der Hand, ich habe alle schön glatt  gestrichen  und nicht wieder eingerollt, sondern wie gewünscht liebevoll zusammengelegt und in einen Schuhkarton gestellt.

Frau Kondo hat auch eine ganz spezielle Methode, wie sie Schubladen und Schränke einräumt. Sie hält viel davon, dass man den Überblick behält, dass man auf den ersten Blick gleich sieht, was man alles hat und dass man gute Ordnung hält. Wie ich mittlerweile nicht nur an meiner Strumpfschublade sehe, ist das nicht die dümmste aller Ideen: Ich habe jetzt Überblick, ich strapaziere die Bündchen meiner Strümpfe nicht durchs Einrollen und Umwickeln, ich weiß jetzt, was ich habe.

Ich bin schon weiter mit Aufräumen, ich habe ausreichend Hosen und Schals, frieren muss ich nicht – und ich werde sicher auch noch lange brauchen, bis ich fertig bin, da bin jetzt auch nicht so zielstrebig, dass ich das an einem Tag oder innerhalb einer Woche schaffen möchte, aber ich will auch noch nicht aufgeben. Doch schon jetzt kann ich Ihnen sagen: ich habe in den letzten Wochen etwas ganz Wichtiges gelernt.

Erstens: Ich lebe nicht nur im Überfluss, das wusste ich, dass ich genug zum Leben habe, sondern ich weiß jetzt auch, dass ich im totalen Überfluss lebe, und das nicht nur im Zusammenhang mit schwarzen Socken und Strumpfhosen, will sagen: beim Aufräumen tauchten Dinge auf, von denen ich gar nicht mehr wusste, dass ich sie habe und die deshalb auch gar nicht genutzt wurden in den letzten Wochen, Monaten und Jahren. Ich habe also deutlich mehr, als ich brauchen kann.

Zweitens: Ich nehme meinen Besitz als zu selbstverständlich hin. Man kann nun von Frau Kondo und ihrer Methode halten, was man will, man kann es verrückt finden oder genial, – was sie aber macht: sie lebt aus großer Dankbarkeit. In ihrem Buch ist immer wieder zu lesen, dass sie sich bei all ihren Besitztümer immer wieder dafür bedankt, dass sie sie wärmen, ihr Herz erfreuen, ihren Dienst tun usw. Allabendlich bedankt sie sich.

Als Christin sage ich jetzt, dass ich mich zwar nicht unbedingt bei den Dingen bedanken muss, aber doch bei dem, der sie mir schenkt: Gott. Es ist eben nicht selbstverständlich, dass ich habe, was ich habe, dass ich genug habe und dass ich mir keine Sorgen zu machen brauche.

Und genau das hat mich persönlich sehr erschreckt, weil ich ein ganz anderes Bild von mir hatte – ich dachte, ich sei ein dankbarer Mensch, aber tatsächlich bin ich zu wenig dankbar.

Ich sage nicht jeden Morgen Danke, dass ich aus meinem Bett klettern kann, ich sage nicht täglich danke, dass ich ausreichend zum Anziehen habe, und, anders als in Kindertagen, danke ich auch nicht vor jeder Mahlzeit, weil manches Essen in meinem jetzigen Leben mal eben so, en passant in meinem Magen verschwindet, während ich am Computer sitze oder telefoniere oder irgendwo herumlaufe.

Und auf all das hat mich das Buch von Marie Kondo aufmerksam gemacht: ich habe zu viel, und ich bin zu wenig dankbar und deshalb ist das Gefühl der Dankbarkeit in diesem Jahr zum Erntedank gepaart mit dem Gefühl der Scham.

Und in diese Kerbe, als sei diese Selbsterkenntnis nicht schon genug, in diese Kerbe haut der Apostel Paulus in einem seiner Briefe, nämlich im ersten Brief an Timotheus. Im 4. Kapitel heißt es:

Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet (1. Timotheus 4,4-5).

Nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird, ich denke, genau das ist der Knackpunkt eines jeden Lebens. Wie gehe ich mit dem um, was mir zuteilwird. Wie schätze ich das wert, was mir gehört, wie dankbar bin ich, wenn ich es bekomme –und dabei geht es nicht um die Menge des Besitzes. Und das ist wirklich nicht nur die Frage, die wir uns an Erntedank stellen sollten, sondern immer, täglich.

Nicht nur Marie Kondo geht davon aus, dass man glücklicher lebt, wenn man das, was man hat wirklich wertschätzt, nein, neulich habe ich auch gelesen, dass Dankbarkeit der Schlüssel zu einem glücklichen und erfolgreichen Leben sein soll. Jeden Tag solle man sich drei Dinge überlegen, wofür man dankbar ist.

Ganz ehrlich? Ich und vielleicht auch Sie haben mehr als dreimal täglich Grund, „Danke“ zu sagen. Und das Folgende sage ich jetzt als Christin: Unser ganzes Leben ist in Gottes Hand, er ist es, der es erhält, und der es reich gestaltet.

Ich möchte dankbarer leben, täglich mehrmals Gott danken für alles, was ich habe und bekomme, für die Menschen, die an meiner Seite sind, für die Arbeit, die ich tun darf, auch für die Ruhe, die ich genießen darf. Ich möchte Gott danken für alles, was er geschaffen hat und es dann auch wirklich genießen.

Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; „denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet“.

Amen.

Friederike Seeliger