Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an der Welt Ende (Matthäus 28,20)
Es gibt keine Taufe in unserer Kirche, in der wir diese Worte nicht hören. Denn dieser Satz, dieses Versprechen ist die Ermutigung für uns, uns auf den Weg zu den Menschen zu machen. Zu allen Menschen, denn „gehet hin in alle Welt!“ Der Grenzenlosigkeit der Verheißung entspricht die Grenzenlosigkeit des Auftrags.
Das sind große Worte. Ich weiß das genau. Es sind herausfordernde Worte, denen wir als einzelne, als Gemeinde, als Kirche weltweit niemals vollständig gerecht werden können. Und doch darf der Anspruch nicht kleiner werden. Denn die Liebe Gottes gilt jedem Menschen. Keiner bleibt hier außer Acht. Deshalb ist es befreiend, dass wir als Christen nicht von uns selber reden müssen oder reden sollen, sondern: „lehret sie halten alles, was ich – Jesus Christus – euch geboten habe!
Mir ist das wichtig. Und noch wichtiger ist mir, dass wir diesen Auftrag in einem durch und durch österlichen Zusammenhang bekommen. Es ist der Auferstandene, der uns Auftrag und Verheißung gibt.
Als Auferstandener sprengt Christus alle Grenzen. Seine Auferstehung macht uns klar, dass auch die scheinbar letzte Grenze – unser Tod nämlich – in den Augen Gottes schon längst seine Macht verloren hat.
Hüten sollten wir uns dabei nur vor dem Gedanken, mit dem Tod sei ausschließlich das Ende unseres Lebens gemeint. Das wäre eine fatale Verharmlosung. Der Tod will schon mitten in unserem Leben regieren: wo Grenzen gezogen und Menschen ausgegrenzt werden, beansprucht der Tod eine Macht über uns, die ihm aus Gottes Sicht nicht zusteht. Aber seine zerstörerische Wirkung, die bekommen wir dennoch fast jeden Tag zu spüren: wo wir voneinander sagen oder denken, dass einer für uns gestorben ist; wo wir einander (zum Beispiel in Gestalt des Krieges) mit dem Tod bedrohen; wo uns der Tod eines geliebten Menschen den Verstand rauben will – denn dann sind wir mitten im Leben schon vom Tod umfangen (Luther).
In all diesen und ungezählten anderen Situationen höre ich die befreiende und ermutigende Botschaft: „ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“ Dieser Satz ist nicht ins Leere geredet, sondern kommt von dem, der die Macht des Todes am eigenen Leibe erfahren hat. Am Kreuz nämlich. Der gesenkte Blick des Karfreitags muss sich zu Ostern heben. Hinter dem Schleier der Tränen zeigt sich Licht. Nur: hinsehen müssen wir!
„Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt“. Um das zu erfahren, müssen wir gleichsam den Blick heben, von uns und unseren Sorgen eine kleine Weile absehen, Abstand gewinnen und eine neue Sicht auf die Dinge gewinnen. Das Wort „siehe“ ist nicht nur ernst gemeint, es ist unersetzlich.
Denn sonst meinen wir, wir blieben einsam und allein. Den Stürmen der Welt und des Schicksals ausgeliefert, ohnmächtig und am Ende verlassen.
Dass es anders ist, dafür steht der Auferstandene. Dass es anders ist, davon erzählt jede Taufe. Auch die Ihre!
Joachim Lauterjung