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Alltag bei Luthers

ERZÄHLER: Denken wir uns zurück. Wir befinden uns im Frühjahr 1525 in Wittenberg. Vor gut siebeneinhalb Jahren hat Martin Luther die Thesen an die Schlosskirche angeschlagen. Was davor geschehen ist und was danach geschah, davon wollen wir heute aus berufenem Munde hören. Denn sie besuchen uns heute. Begrüßen Sie herzlich mit mir: Katharina von Bora und Martin Luther.

KATHARINA [kommt vor und ruft]: Martin, Martin!

MARTIN: Katharina, warum ruft Sie mich schon wieder herbei, ich muss an die Arbeit. Am kommenden Sonntag ist der Gottesdienst zu halten – und ich bin mit meiner Predigt noch nicht so weit. Der Text von Paulus: Das Weib sei untertan dem Manne, aus dem Epheserbrief, macht mir zu schaffen.

KATHARINA: Darum geht es gerade, Martin. Er wolle mich heiraten, hat Er gesagt. Aber ich sehe doch die Leute und höre sie reden, wie sie sich den Mund darüber zerreißen und sagen: Seht nur, die Nonne und der Mönch. Das ist wider Gottes Gebot – das ist Sünde. Wie sollen wir es nun halten, was sagt Ihm sein Glaube?

MARTIN: Ach, Katharina, Sie weiß es doch genau! Erinnern Sie sich daran, wie es mir ergangen ist. Meine Eltern – Gott habe sie selig – wollten doch, dass ich ein Rechtsgelehrter würde. Innerlich war ich darauf eingestellt und habe alles dafür getan. Und dann diese EINE NACHT. Ich werde sie niemals vergessen. Ein teuflisches Gewitter, ein Sturm, der Regen, Donner und Blitze. Die Welt wird untergehen – das habe ich genau gefühlt. Und dann kam es mir tief aus der Seele und tief aus dem Herzen – ein Stoßgebet: „Herr, – Heilige Anna – hilf mir, ich will ein Mönch werden.“ Darum bin ich den Weg gegangen – hinein ins Kloster – gegen den Rat der Eltern. Nur mein Gewissen hat mich dahin gelenkt.

KATHARINA: Ja, Martin, ich weiß. Aber waren die Wege immer so recht? Auch wir haben in unserem Kloster als Nonnen gezweifelt, gebetet; wir wussten nicht immer, welches der richtige Weg war. Manchmal muss man Wege gehen – und wenn sie falsch sind, schenkt Gott einem Kreuzungen, damit man wieder auf den rechten Weg kommt.

MARTIN Zweifel, – Verzweiflung – ich habe doch immer wieder solche Gedanken. Und frage mich, welche Kreuzungen hat Gott uns geschenkt, dass wir zusammen gekommen sind. Oder sind es Werke des Teufels – und er lacht sich ins Fäustchen?

KATHARINA: Nein, Martin, das darf Er nicht denken. Ich habe seine guten Freunde reden gehört; alles weise und belesene Theologen. Und wie sie immer wieder den Kopf schütteln und sagen: Das darf unsere katholische Kirche nicht, sie darf nicht so denken. Und sie erzählen von Ihrem, Herrn Martins, Studium – vor – ach ja – vor zehn Jahren beim Römerbrief. Es war doch das Wort von Paulus: So halten wir nun dafür, dass der Mensch gerecht werde ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben.

MARTIN: Eben genau so: Wir können uns nicht durch gute Werke den Himmel verdienen, auch nicht durch ein vorbildliches Leben im Kloster. Allein Jesus, Gottes Sohn, bringt uns durch seinen Tod in den Himmel, wenn wir ihn als unseren Herrn annehmen. Darum die 95 Thesen an dem Abend vor Allerheiligen – hier in unserer großen Kirche in der Stadt. Die Nägeleinschläge sind noch zu sehen. Aber nach dem Glaubenskrieg, der danach entstanden ist – schmerzt mich jedes Nagelloch in meinem eigenen Herzen. Es ist mir, als habe ich meine Kirche verraten – und DOCH: Ich konnte nicht anders.

KATHARINA [sehr deutlich]: Ja, Martin, so ist es! Das war mein Weg. Denn auch mein Weg führte aufgrund dieser Nacht, dieses Allerheiligentages und Ihrer Thesen aus dem Kloster heraus. Sonst wären Sie und ich uns nicht begegnet.

ERZÄHLER: 95 Thesen hatte Martin Luther am 31. Oktober 1517 an die Schlosskirche zu Wittenberg angeschlagen. Er wollte ein Gespräch, eine Diskussion darüber, was er theologisch erarbeitet hatte: Ohne des Gesetzes Werke, ohne Geld – allein durch Gottes Gnade, allein durch den Glauben. Lange hatte er darüber studiert, sich lange mit diesen Auseinandersetzungen gequält. Immer wieder kann man davon lesen. Aber – er folgte in dieser Frage seinem Gewissen – und manchen Freunden, mit denen er sich besprach. Er bekam sehr viel Unterstützung seiner Gedanken – aber auch viele Anfragen und Ärgernisse.

Wovon immer wieder über ihn berichtet wird, ist: Dass er in unablässigem Gebet, in tiefem Gespräch und Sehnsucht nach Gott gewesen ist. Martin Luther ist in dieser Zeit kein UNSCHULDIGER gewesen oder geblieben, ganz im Gegenteil. In den Bauernkriegen und in den Gedanken zum Judentum hat er – das können wir heute belegen, – sich sicherlich schuldig gemacht. Und doch auch hier: er ist seinem Gewissen und seinen Gebeten gefolgt – aber auch bei ihm sehen wir: unsere Gedanken können in die Irre führen.

Ich empfinde es als tröstlich, dass Martin Luther, ähnlich wie schon Paulus – der als Saulus die Christen verfolgt hatte – oder wie Abraham, der mit Gott um Menschen handelte – oder wie Petrus, der den Herrn Jesus verleugnete – dass sie alle MENSCHEN waren und geblieben sind – und keine Erfolgsmenschen, oder gar Heilige oder Halbgötter gewesen sind. Aber lassen wir uns wieder dem jungen Paar zuwenden. Katharina und Martin stehen inmitten wichtiger Entscheidungen. Besonders Martin denkt gerade laut:

MARTIN (hat die Bibel in der Hand und denkt laut nach): Zuletzt habe ich immer wieder über die Ehe nachgedacht. Ja, sie ist ein gottgewolltes Ding. Wie die Tiere zu Paaren in die Arche gezogen sind, so hat Gott gewünscht, dass Frau und Mann ein Fleisch werden sollen. Ob ich es denn nur predigen soll? Ich frage mich wirklich – oder – ob ich nicht doch auch heiraten soll? Ich werde mich mit Katharina besprechen.

KATHARINA: Martin, Er fragte mich danach, ob wir nicht am 13. Juni in diesem Jahr 1525 heiraten sollen. ABER, erinnere Er sich einmal an „Ave von Schönfeld“, die damals mit mir – nach zwanzig Jahren Nonnenleben – aus dem Kloster geflohen ist, nach den Unruhen – die Er ausgelöst hat mit dem Thesenanschlag. Hinter den Heringsfässern auf einem Bauernkarren hatten wir uns versteckt und hatten Angst, dass man uns finden würde. In „Ave von Schönfeld“ war Er, der Herr Martin, doch wirklich sehr verliebt.

MARTIN: Nana, und was war bei Ihr mit „Hironymus Baum-Gärtner“ oder dem „Pfarrer Glatz“ aus Orlamünde? Beide hätten Sie gerne geehelicht.

KATHARINA: Nein, ich hätte sie Ihm niemals vorgezogen, ich wollte gerne Ihn, den Martin, heiraten.

MARTIN: Dann ist es gut, wir hören nicht auf das Geschwätz der Leute, wir heiraten dieses Jahr im Juni.

[Brautkranz auf den Kopf – beide gehen ab zu Wagners Hochzeitsmarsch.]

ERZÄHLER Katharina und Martin heirateten am 13. Juni 1525 in kleinem Freundeskreis und feierten 14 Tage später erst eine größere Hochzeitsfeier. Sie bekamen insgesamt sechs Kinder, drei Jungen und drei Mädchen. Katharina führte Martin den Haushalt sehr gut, sie war eine weise Frau und gute Mutter. Aber sie hatte nicht nur für die große Familie zu sorgen, sondern auch für die vielen Studenten und Freunde, die immer wieder kamen – um Martin Luther reden zu hören. Sehen und Hören wir hin.

KATHARINA: Martin!

MARTIN [am Stehpult]: Ja, mein Herr Käthe – Sie ist wieder sehr streng am heutigen Tage. Ich muss mich vorbereiten, ich mache mir Sorgen, die Predigt scheint noch nicht gelungen. Ich ringe mit dem Text.

[Katharina kommt aus dem Hintergrund, schwarz gekleidet.]

MARTIN: Käthe, was ist geschehen, was hat Sie gehört. Wer ist gestorben?

KATHARINA [sehr traurig]: Martin, es ist traurig. GOTT ist gestorben. Gott ist tot!

MARTIN: Wie?

KATHARINA: Er – Martin, ER macht sich immer so viel Sorgen, er ist immer so streng und ernst in der Predigt. Wo bleibt die Freude des Evangeliums?

MARTIN [lacht]: Ach mein Herr Käthe, Sie hat Recht, die Liebe Gottes soll die Menschen fröhlich machen.

[Martin begibt sich wieder an die Arbeit am Stehpult.]

KATHARINA: Noch eine kurze Frage, kommt er nachher heraus vor die Türe zum Abfall?

MARTIN: Ja, ich wollte noch einen kurzen Weg zur Kirche machen, warum?

KATHARINA: Dann nehme er unbedingt diesen Strohsack mit.
Martin: Aber – aber, das ist doch mein Schlafsack, warum sollte ich ihn zum Abfall bringen?

KATHARINA [streng]: Herr Martin, er riecht fürchterlich; er muss unbedingt ausgetauscht werden, so wie auch einige alte Tücher, Wäsche, Tassen und Stühle. So können wir keine Menschen bewirten.

MARTIN: Gut, Sie ist meine Gebieterin, ich werde es Ihr alles überlassen.

KATHARINA [säubert, räumt auf]: Martin, ist es richtig, dass heute Abend wieder so viele Studenten zu uns kommen? Dann muss ich die Suppe noch ein wenig erweitern.

MARTIN: Ja, Käthe, tue sie das. Wir werden wohl länger diskutieren und reden; heute ist das Lukasevangelium dran mit den Wundern unseres Herrn. Und wenn Sie wieder etwas Bier brauen könnte, wie Sie es im Kloster gemacht hat, das wäre gut, dann sind die Gespräche nicht so trocken.

ERZÄHLER: Katherina führte Martin nicht nur das Haus, sondern machte eine kleine Pension daraus, so dass sie etwas Geld einnehmen konnten. Sie war sehr einfallsreich in der Beschaffung von Geld, galt als herausragende Hausfrau. Kümmerte sich außerdem um Land und Vieh, so dass die Gäste: Kurfürsten, Herzöge und die vielen Studenten, die immer wieder zu Besuch kamen, sich im Hause Luther ausgesprochen wohl fühlten. Wie sehr Martin seine Ehefrau schätzte, ist nicht nur an dem vorhin gehörten: Mein Herr Käthe zu bemerken, sondern auch in unterschiedlichen Reden und Briefen belegt. Hören wir kurz einmal hin, was Martin in einem seiner Briefe schreibt.

MARTIN [am Tisch – schreibt einen Brief und liest die Worte laut vor sich hin]: Wenn ich meine Käthe nicht gehabt hätte, wäre wohl der Teufel an meine Seele gekommen. Auch im Testament werde ich sie erwähnen: Katharina ist mir von Gott gesandt worden: Andere bitten um Gottes Hilfe, du aber bist Gottes Hilfe!

ERZÄHLER: Die Tischreden im Hause Luther sind berühmt geworden. Martin hat über vieles gesprochen. Manche Studenten kamen mit Blatt und Feder, um aufzuschreiben, welche Gedanken, Predigten, Worte – aus seinem Munde kamen. Hier einige Auszüge:

Über den Glauben und Gott:

MARTIN: Der Glaube bringt den Menschen zu Gott, die Liebe bringt ihn zu den Menschen.
Glaube ohne Liebe ist nichts wert.
Worauf du nur dein Herz hängst und verlässest, das ist eigentlich dein Gott.
Gottes Wort ist ein Blümelein, das heißt: Je länger, je lieber. Wer das einmal recht ergreift, der gewinnt es so lieb, daß er’s immer je mehr und mehr begehrt

ERZÄHLER: Über Frauen:

MARTIN: Ich sehe es so, wenn ich über die Frauen rede: Das Weiberregiment nimmt selten ein gutes End. Die Rolle des Weibes sei es, Kinder zu gebären und basta.
ABER: Wenn das weibliche Geschlecht anfängt, die christliche Lehre aufzunehmen, dann ist es viel eifriger in Glaubensdingen als Männer. Das erweist sich bei der Auferstehung, siehe Johannes 20,1ff: Magdalena war viel beherzter als Petrus.

ERZÄHLER: Über die Musik:

MARTIN: Musik ist ein reines Geschenk und eine Gabe Gottes, sie vertreibt den Teufel, sie macht die Leute fröhlich und man vergißt über sie alle Laster.
Musik ist das beste Labsal eines betrübten Menschen.
So predigt Gott das Evangelium auch durch die Musik.

ERZÄHLER: Allgemeine Weisheiten:

MARTIN: Eine Lüge ist wie ein Schneeball: Je länger man ihn wälzt, desto größer wird er.
Und: Pfaffen sollen beten und nicht regieren

ERZÄHLER: Über Kinder und Jugendliche:

MARTIN: Kinder sind das lieblichste Pfand in der Ehe. Sie binden und erhalten das Band der Liebe.
Christus, da er den Menschen ziehen wollte, musste Mensch werden. Sollen wir Kinder ziehen, so müssen wir auch Kinder mit ihnen werden.

KATHARINA: Martin, was hat ER da eben gesagt? Christus, da er den Menschen ziehen wollte, musste Mensch werden. Sollen wir Kinder ziehen, so müssen wir auch Kinder mit ihnen werden. Heute sind Kinder hier, Kinder aus dem Unterricht der Auferstehungskirche. Was sollten wir Ihnen mit auf den Weg geben?

MARTIN: Das Beste, das wir haben?

KATHARINA: Aber aus dem Mittelalter in die Zeit von Fernsehen, Mondlandungen, Smartphones – was hat denn Bestand.

MARTIN: Gottes Wort hat Bestand. Das Wort sie sollen lassen stahn – so habe ich gedichtet in meinem Lied Ein feste Burg ist unser Gott. Gottes Wort ist die feste Burg in unserem Leben. In Gottes Wort können wir uns flüchten, darin leben und uns von Gott trösten lassen.

KATHARINA: Dann ist es Gottes guter Wille gewesen, dass ER die Bibel übersetzt hat, denn in Latein, Hebräisch und Griechisch wäre das Wort Gottes wohl von den Kindern hier nicht zu verstehen.

MARTIN: Darum lassen wir Ihnen eine Bibel – das Wort Gottes schenken – damit Sie ihren Trost und ihre Freude bei Gott finden.

ERZÄHLER: Liebe Gemeinde, liebes Ehepaar Luther! Zunächst einmal herzlichen Dank, dass Sie heute die Zeit gefunden haben, zu uns zu kommen. Diese Jugendlichen haben nicht nur einen Psalm aufgesagt und ein wunderbares neues Lied zum Dank gedichtet und gesungen, sondern schon am Kinder- und Jugendbibeltag über Martin Luther mitgearbeitet und wunderbare Ideen gehabt. Ihr werdet nun vom Ehepaar Luther – die Jungen von Martin und die Mädchen von Katharina – die Bibel überreicht bekommen und eine Martin Luther-Figur von Playmobil – zur Erinnerung an dieses besondere Jahr der Reformation in unserer Gemeinde – UND in eurem Leben. Wer kann das schon sagen: Ich war dabei: 500 Jahre Martin Luther und Katharina von Bora!

Götz-Otto Kreitz