In meiner Jugendzeit habe ich ein lustiges christliches Kabarettduo erlebt, das in seinem Programm den Umgang mit der Bibel aufs Korn genommen hat. Es klang so, wie ein Werbespot: „Halten Sie nicht auch manche Aussagen der Bibel für überholt? Und sind nicht viele Passagen für Ihre nichtchristlichen Freunde völlig ungeeignet? Dann brauchen sie den neuen Bibabo. Den Bibelbastelbogen, der Bibellesen wieder zum Vergnügen macht. Der Bibabo ist eine Bibel mit vorperforierten Seiten zum leichten Raustrennen unbequemer Passagen. Stellen Sie sich Ihre ganz individuelle Bibel selbst zusammen. Mit dem neuen Bibabo ist das ein Kinderspiel.“
Wie das bei Satire so ist, ist auch da viel Wahres dran, denn so geht es uns doch manchmal beim Bibellesen. Doch da fängt das Problem schon an: Wer bestimmt denn, was wahr ist und was nicht? Wer entscheidet dann, welche Aussage über Gott richtig ist und welche nicht?
Wenn ich mit Menschen im wahrsten Sinne des Wortes „über Gott und die Welt“ spreche und ins Diskutieren komme, merke ich, wie sehr wir uns unseren Gott selber zurecht basteln. Wir denken uns aus, wie Gott ist, wir haben mal etwas gehört und sind dann der Meinung, so ist Gott dann auch. Wir übernehmen meist nur solche Gedanken über Gott, die uns selber gefallen, oder noch treffender, die mit unserem Leben übereinstimmen. In unserem abstrakten Denken über Gott ist Raum für viel Spekulation. Keiner weiß letztendlich, wie Gott ist, keiner kann Gott vollkommen verstehen und „keiner hat Gott je gesehen“, so heißt es auch in der Bibel (Johannes 1,18).
Wobei die Bibel auch Aussagen macht, dass einzelne Menschen Erscheinungsformen von Gott gesehen haben: Jakob, der mit Gott gerungen hat (1. Mose 32,23ff.). Mose, der Gottes Herrlichkeit sehen wollte und „Gott hinterher“ schauen durfte (2. Mose 32,18ff.). Gideon, der einen Engel Gottes von Angesicht zu Angesicht gesehen hat (Richter 6,22f.). Der Prophet Jesaja, der bei seiner wundersamen Berufung bekennt: „Ich habe den HERRN mit meinen Augen gesehen.“ (Jesaja 6,5).
Weil wir Gott nicht gesehen haben, müssen wir uns eine Vorstellung von Gott machen, ein Gottesbild von Gott haben, damit wir ihn ja auch irgendwie denken können, sonst bleibt er ein waberndes Etwas im unendlichen Weltall.
Und mir wird im Gespräch mit Menschen ein zweiter religiöser Umgang deutlich. Und zwar die postmoderne Einstellung nach Pippi Langstrumpf: „Ich mach mir die Welt, widdewidde wie sie mir gefällt.“ Ein bisschen christlich, ein bisschen Zen-Meditation, ein bisschen davon und davon. Das ist postmoderner Synkretismus, eine Vermischung verschiedener Religionen oder Anschauungen. Also basteln wir uns unseren eigenen Gott doch zusammen, so wie es uns eben passt. Ein bisschen Gott, Glaube und Kirche ja (natürlich nur die Vorteile), aber konsequent nachfolgen, sich ganz auf eine Sache einlassen, wozu Jesus aufgerufen hat, nein, das ist zu engstirnig und anstrengend.
Doch von dieser Einstellung kann ich kein Heil und keinen Trost erwarten, denn dann kommt ja kein Wort Gottes auf mich zu, sondern ich weiß vorher schon, was ich gerne hätte. Gott als Wunscherfüllungsmaschine. So ist Gott in keiner Religion, in keinem Buch und in keiner Lehre beschrieben.
Wahrheit und Klarheit – beschreiben Menschen – haben sie nur bekommen, indem sie sich wirklich auf Gott eingelassen haben. Merken Sie, jetzt sind wir wieder auf die Anfangsfrage zurückgeworfen: „Wie erkenne ich, wie Gott nun wirklich ist?“ Und mein eigenes Bemühen ist zwecklos und damit am Ende.
Erkennen können wir Gott nur, wenn er sich selber zeigt. Und das hat er getan. Er hat sich in Jesus Christus geoffenbart. Paulus schreibt: „Gott war in Christus.“ (2. Korinther 5,19). In Jesus Christus können wir also erkennen, wie Gott ist?!
Genau mit diesem Anspruch ist Jesus selber aufgetreten, manchmal vorsichtig und heimlich (Markus 3,12) und manchmal klar und direkt: „Wer mich sieht, der sieht den Vater“ (Johannes 14,9); „Ich und der Vater sind eins“ (Johannes 10,30); „Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben“ (Johannes 5,24).
Wir merken, dass das Verständnis von Gott nur über Jesus Christus geht. An dieser Stelle möchte ich versuchen, den Unterschied von Theologie und Glauben zu beschreiben: Beides ist wichtig, um Gott richtig zu verstehen.
In der Theologie – Lehre von Gott – gibt es verschiedene Ansätze, um Bibeltexte zu verstehen. Das darf aber nicht dazu führen, Gott so zu drehen, formen und basteln, wie ich ihn gerne hätte. Gott ist nicht unsere Knetmasse. Das ist aber die Gefahr von Theologie, die in der Gefahr steht, ein Dogma z.B. „Gott ist gnädig“ zu überhöhen und über die ganze Theologie zu setzen und die Bibel nur noch so zu verstehen, so dass z.B. die Gerichtsworte und der Zorn Gottes ausgeklammert werden. Dann verkommt Gott zu einem reinen „lieben Gott“, der nach unserem Verständnis von Gnade so handeln muss, wie wir es wünschen. Doch wir erkennen in der Bibel, dass Gott nicht ein „lieber Gott“ ist, der „keiner Fliege etwas zu leide tut“, sondern ein zutiefst „liebender Gott“ ist und, auch in seiner Liebe, zornig ist und straft.
Die Theologie ist eine Hilfswissenschaft, um Gott zu verstehen. Wenn aber die Theologie dazu führt, dass wir uns über den Bibeltext stellen und entscheiden, was gut und falsch ist, dann begehen wir genau die Sünde, die beim sogenannten „Sündenfall“ in 1. Mose 3 beschrieben ist: Der Mensch will selber sein wir Gott. Wir überhöhen uns über Gott und basteln uns Gott zurecht. Doch dieser Weg ist nicht der Weg des Glaubens, sondern Hochmut.
Der Theologe Dietrich Bonhoeffer hat es auf den Punkt gebracht, um Gott richtig zu verstehen: Die Einstellung des Glaubens muss auf Annahme und Gehorsam basieren. Nur im einfachen Hören erkenne ich das Wort Gottes. Nur im Gehorsam verwirklicht sich der Glaube. Bonhoeffer scheibt kurz und knapp zusammengefasst: „Nur der Glaubende ist gehorsam und nur der Gehorsame glaubt“ (D. Bonhoeffer: Nachfolge, Seite 35).
Und auf einmal wird Gottes Wort wirkungsvoll und es spricht zu mir in meiner Lebenssituation; es sagt mir etwas und hilft mir. Wenn wir unseren Gott nicht mehr selber zusammenbasteln, sondern einfach mal auf Gottes Wort hören und uns von Gott etwas sagen lassen, dann verstehen wir Gott auf einmal besser, dann erkennen wir Gott in dem Reden und Wirken Jesu Christi. Und dann erfüllen wir sogar das erste Gebot: „Ich bin der HERR, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Du sollst dir kein Bildnis machen.“
Das offensichtliche Geheimnis des Glaubens liegt darin, auf Jesus Christus zu schauen – denn in ihm erkennen wir Gott und machen uns selber kein eigenes Bild mehr. Probieren Sie es mal mit dem Hören auf Gottes Wort und mit dem Schauen auf Jesu Taten und mit dem gehorsamen Nachfolgen Jesu. Denn darin hat sich die Wahrheit erwiesen: Glaube und Gehorsam gehören zusammen.
Manuel Neumann
Meistens bringen mich die Bibelstellen, die mir „quer liegen“ am ehesten weiter. Das will ich mir nicht versperren indem ich eine plausible „weichspülende“ Umdeutung bzw. Relativierung folge. Es ist eher die Frage: „Ist das nicht ein Provokation, die weiterbringt?“ Maria die zu Füssen sitzt, wird gelobt und Martha die fleißig ist, als dumm bezeichnet. Das ist überhaupt nicht plausibel. Die Entlohnung der Weinbergarbeiter 12 Stunden ein Taler, 1 Stunde ein Taler; total ungerecht. Die rechte Wange hinhalten? Total bescheuert! usw.
Und wieder so ein lesenswerter Beitrag, der genau das zum Ausdruck bringt, worauf es im Leben ankommt: auf Jesus schauen. Er ist Orientierung, Begleiter, Kraftquelle und viel mehr.