Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht. (Hebräer 11,1)
Etwas sperrig ist er, dieser Spruch, aber er sagt klar und eindeutig, was Glaube ist. Sollte es so einfach sein mit dem Glauben? Lässt Glaube sich in einem einzigen Satz definieren? Dann müssten wir den nur auswendig lernen, öfter mal in Erinnerung rufen, und schon klappt es auch mit dem Glauben. So ist es aber nicht.
Das Nichtzweifeln beinhaltet nämlich auch das Zweifeln, und die feste Zuversicht hat auch ihr Gegenteil, eine schwankende oder gar nicht vorhandene Zuversicht.
Der unbekannte Verfasser des Hebräerbriefes weiß das und richtet hier ein aufrichtendes, mahnendes und erklärendes Wort an eine ebenfalls unbekannte Gemeinde oder Gruppe, die offensichtlich müde und angefochten ist und in der Gefahr abzugleiten.
Ich denke, dieses Gefühl der Anfechtung, des Zweifels, kennen wir alle. Wir kennen Zeiten, in denen wir uns als gläubig bezeichnen würden, aber auch solche, in denen wir uns fernab jeden Glaubens fühlen.
Wir spüren: „der Glaube“ lässt sich wohl doch nicht so einfach festlegen. Vielleicht hilft es, von der Frage, was Glaube ist, wegzukommen hin zu der Frage, wie wir Glauben (er)leben, weg also von der Statik hin zu einem dynamischen Prozess. Das verändert die Perspektive und stellt uns in die Jahrtausende alte Tradition des wandernden Gottesvolkes, in den großen Treck Gottes, der durch die Zeiten zieht, und dessen Erfahrungen mit Gott im Alten und Neuen Testament und bis heute auch in unseren Kirchen bezeugt werden.
An anderer Stelle im Hebräerbrief ist die Rede von einer „Wolke von Zeugen um uns“ – ein schönes Bild. Diese Zeugen und Zeuginnen haben eines gemeinsam: sie vertrauten allen Schwierigkeiten und Anfechtungen zum Trotz letztlich auf die bedingungslose Liebe Gottes, die sich für uns Christen im Leben und Wirken Jesu Christi manifestiert hat. Gewissheit hatten sie nicht, aber sehr viel Hoffnung. Glaube als Wagnis.
Einer dieser Zeugen ist für mich Paul Gerhardt, der Liederdichter, von dem zahlreiche Lieder Eingang in unser Gesangbuch gefunden haben. Geprägt von den Schrecken des Dreißigjährigen Krieges und geschlagen durch privates Schicksal – vier seiner fünf Kinder sterben bereits im sehr jungen Alter – schreibt er trotzdem Lieder der Hoffnung, die seinen Mitmenschen Mut machen und das Vertrauen in Gott stärken sollen. Seine wunderbaren Lieder singen wir bis heute im Gottesdienst.
Aber es gibt auch das harte Brot des alten Apostolischen Glaubensbekenntnisses, verpflichtend und doch für manche unverständlich und kaum noch mitzusprechen.
Deshalb hier ein modernes Credo (Verfasser unbekannt), das in dem Begriff der Liebe den versteckt, den wir Gott nennen und den wir mit Jesus Christus kennen:
„Ich glaube, dass Liebe der Ursprung der Welt ist. Ich glaube, dass wir alle der Liebe unser Dasein verdanken. Ich glaube, dass nur durch die Liebe die Welt heil und friedvoll werden kann. Ich glaube, dass Liebe, auch wenn sie nicht angenommen und ans Kreuz geschlagen wird, am Ende doch siegen wird. Ich glaube, dass letztlich unsere Sehnsucht nur in der Liebe erfüllt werden kann, zu der wir wieder zurückkehren.“
Ein persönliches Wort zum Schluss: Das Wort aus dem Hebräerbrief ist mein Konfirmationsspruch. Er hat mich fast ein Leben lang begleitet. In gläubigen Zeiten ist er mir Aufforderung, das Wagnis „Glauben“ einzugehen, in nicht gläubigen Zeiten Stein des Anstoßes. Anlass, über ihn nachzudenken, ist er mir immer wieder. In guter Verbundenheit von Glauben und Anfechtung grüßt Sie
Sonnhild Hasenkamp-Glitza
Ich finde diese Andacht ausgezeichnet! Ein großartiges Beispiel für eine seelsorgliche Predigt und für predigende Seelsorge !Herzlichen Dank.