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Ankunft im gelobten Land | Kirche und Farben #4

Wie köstlich ist deine Güte Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben. (Psalm 36,8)

Die Farben dieses Sommers sind bunt, so wie die Menschen mit allen ihren Ideen, Hoffnungen und Wünschen auf unserem Planeten. Die Farben des Sommers sind auch die Farben des Regenbogens. Stark, kräftig und leuchtend steht ein Regenbogen am Himmel, wenn es noch regnet und doch schon wieder die Sonne scheint.

Kinder sind genauso farbenfroh wie ein Regenbogen und auch so stark wie die Strahlen der Sonne, wenn diese die Erde wieder erwärmt. Kinder erhellen mit ihrer Fröhlichkeit unser Leben. Sie bringen es zum Leuchten. Kinder sind lebendig, ungezwungen und ehrlich. Sie sprechen aus, was sie denken und bewegt. In den oft grauen Alltag unserer Kirchenmauern lassen sie die Sonne scheinen, verkörpern Freiheit und schenken uns Mut und Kraft.

„Seit leuchtend Gottes Bogen am hohen Himmel stand, sind Menschen ausgezogen in das gelobte Land“ heißt es in einem Gesangbuchlied (EG 395) – für viele Flüchtlinge, die sich auf den Weg gemacht haben, ist das gelobte Land Deutschland. Es ist unsere Heimat, die wir jetzt mit Menschen, die geflohen sind, teilen sollten. Wir sollten ihnen zumindest auf Zeit, manche werden auch für immer bleiben, ein Zuhause anbieten. Das ist unsere christliche Verpflichtung.

Angekommen in unsere direkte Nachbarschaft, in das Zeltdorf an der Hamburger Straße, sind viele Familien mit Kindern. Der Bedarf an Kontakten ist groß. Das Bedürfnis, zu spielen, zu lachen und Freundschaften zu schließen, ist spürbar. In Kooperation mit Familienbildung der Arbeiterwohlfahrt bieten wir in unserem Familienzentrum ein Gruppenangebot „Sprache im Spiel“ an. Hier können sich Eltern und deren Kinder treffen, die noch keine Kita besuchen. An einem Vormittag in der Woche haben sie die Möglichkeit, sich spielerisch mit der deutschen Sprache auseinander zu setzen. Rana Lüle und Heike Gräf leiten dieses Angebot.

Zum ersten Treffen haben wir Mütter und Kinder im Zeltdorf abgeholt.

Abdula und seine Mutter sind auch dabei. Er ist ein besonderes Kind. Hand in Hand gehen wir den kurzen Weg vom Zeltdorf zur Kita. Abdula ist sechs Jahre alt und sein Gesicht ist vernarbt. Er spricht schon ein paar Worte deutsch. Auch die Worte „hallo“, „okay“ und „finish“ gehören in „seine“ neue Sprache.

Angekommen in der Kita, fragt ihn ein Kind, ob er vergessen hätte, sein Gesicht zu waschen. Abdula versteht die Worte nicht wirklich, weiß aber um ihre Bedeutung. Er zeigt den Kindern, wie Flugzeuge kamen, Bomben abwarfen und sein Gesicht verbrannt wurde. Der Krieg ist plötzlich spürbar nah. Lutz, ein sehr offenes Kita-Kind, zeigt Abdula die ganze Einrichtung. Händchenhaltend gehen sie durch alle Gruppen. Vertrauen stellt sich ein. Zusammen schauen wir auf einer Weltkarte nach, wo Syrien liegt und wo Essen.

Die Frauen, die alle Mütter sind, fragen nach Kleidung und Schuhen. Außer dem Angebot, das es im Zeltdorf gibt, ist der Bedarf groß. Rana Lüle und Heike Gräf erklären ihnen den Weg zum Apostel-Laden unserer Gemeinde. Am nächsten Tag treffe ich Abdula mit seiner Mutter und zwei seiner Schwestern vor dem Laden. Die Wiedersehensfreude ist, trotz sprachlicher Schwierigkeiten, groß. Abdulas Mutter ist sehr stolz auf ihre Kinder. Insgesamt hat sie neun Kinder, die allerdings nicht alle in Deutschland sind. Abdula und ich haben Freundschaft geschlossen. Er wird, wie alle anderen auch, Beziehungen in Deutschland brauchen, die verlässlich sind und gelebt werden.

Auf unsere Kinder im Familienzentrum können wir stolz sein. Seit eineinhalb Jahren setzen sie sich mit Krieg und Terror in der Welt auseinander. Sie beten und singen für den Frieden und jeden Tag brennt in der Kita ein Friedenslicht. Jetzt sind Kinder und Erwachsene aus Kriegsgebieten real in unserer Nachbarschaft angekommen. Wir sehen, unsere Kinder können Menschen aus anderen Kulturen willkommen heißen. Im Spiel verstehen sie sich schnell. Das ist wertvoll und schön.

Seit einigen Wochen arbeiten Kinder jeden Montagmorgen mit Angelika Murschall an einem Friedensteppich. Kleine gewebte Stücke werden zu einem großen „Ganzen“. Bunt ist er und strahlt durch seine leuchtenden Farben Vielfalt aus. Zur Verabschiedung der Kinder, die nach den Sommerferien in die Schule gekommen sind, war er auf dem „Fest der Generationen“ dabei. Er symbolisiert die vielen neuen Verbindungen mit Kindern aus unterschiedlichen Herkunftsländern. Er ist eine Botschaft für den Frieden.

Für unseren neuen Flurbereich haben wir ein Sitzmöbel gekauft, das aus einem alten Fischerboot hergestellt wurde. Für uns eine Sitzgelegenheit, für unsere Kinder sofort die „Arche Noah“. Alle drei Weltreligionen können sich mit der „Arche Noah“ identifizieren. Die Kinder spielen einfach auf ihrem Boot das Zusammenleben von Menschen und Tieren. Es geht laut und fröhlich zu. Die Farbpalette des Regenbogens mit dem Versprechen Gottes, nie wieder eine große Flut zu schicken, gehört unbedingt dazu.

„Wie köstlich ist deine Güte Gott, dass Menschenkinder unter dem Schatten deiner Flügel Zuflucht haben.“ Psalm 36,8 ist unser das Leitbild im Familienzentrum.

Martina Sonnenberg