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Warum unsere Kirchen selten bunt sind| Kirche und Farben #1

Würde man die Menschen am Samstagmorgen bei uns auf dem Frohnhauser Markt fragen, was sie mit dem Wort „Kirche“ verbinden, würde wohl kaum die Assoziation „Farbe“ dabei sein. Eher hätten die Menschen Vorstellungen, die auf das Gebäude, den Kirchenraum oder den Gottesdienst hinauslaufen. Vielleicht kämen sie auf Glocken, Kreuz, Predigt oder Bibel.

Es gibt allerdings Kirchen, in denen Farben den Raum bestimmen oder mitbestimmende Charakteristika des Raumes sind: Ich denke an den Kölner Dom und seine Fenster. Ich meine die alten Fenster, denn das neue Richter-Fenster ist mir für diesen Raum zu bunt. Die alten Fenster stellen etwas dar. Sie nehmen Bezug auf Geschichten der Bibel, auf die Kirchentradition oder auch auf die Stifter der Fenster. Sie sind ausdrucksvoll und angemessen. Dagegen ist die gotische Architektur des Domes gewaltig und einschüchternd. Sie soll, denke ich, den Christenmenschen klein machen. Er soll sich in der Weite und Höhe der drei Schiffe verloren fühlen. Die Fensterbilder mit ihren wunderbaren Farben heben diesen Eindruck ein wenig auf. Sie lassen das Auge ruhen und geben Halt. Sie sind, sozusagen, beruhigende Farbinseln im einschüchternden Säulengrau der Kathedrale.

Von ganz anderer Farbigkeit sind viele barocke Kirchen. Eine Farb- und Lichtkirche ist die Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen von Balthasar Neumann. Viele barocke Kirchen haben ausgemalte Decken, die den Blick nach „oben“ richten sollen. Viele barocke Kirchen sind farblich übervoll und verwirren Auge und Wahrnehmung. Aber die Bilder und die farbigen Wände und die ausgemalte Decke machen die Kirche kleiner und wohnlicher. Sie strahlen eine andere theologische Botschaft aus als die gotischen Kathedralen. Diese sagen „Gott ist groß und du bist ein kleiner Sünder“. Die barocke Kirche sagt: „Schau dir an, was die Bibel dir zu sagen hat. Du gehörst dazu.“

Unsere protestantischen Kirchen sind Wortkirchen. Wo ist da Raum oder Bedeutung für Farbe? Im Gottesdienst tragen Pfarrerin oder Pfarrer einen schwarzen Talar und ein weißes Beffchen. Das ist sogar im ursprünglichen Sinne, wenn auch ein wenig anders herum, „bunt“. Denn unsere Bedeutung des Wortes „bunt“ hat sich aus einem Klosterwort entwickelt, das „schwarze Stickerei auf weißem Grund“ bedeutete. „Farbe“ dagegen hat eine uralte sprachliche Wurzel und bedeutete ursprünglich „etwas, das das Aussehen von Rosen hat“. Aber von „bunt“ und „Farbe“ kann auf den ersten Blick in unseren Kirchen nicht die Rede sein.

Und noch ein Befund: In der Bibel kommt „Farbe“ überhaupt nicht und „bunt“ nur ein einziges Mal vor, denn Josef, der Lieblingssohn, bekommt vom Vater einen bunten Rock, was schließlich eine ganze Lawine von Ereignissen auslöst. Für die Bibel ist wichtig, die Verbindung von Gott und „Licht“ zu betonen. Das Bunte gehört wohl eher zu „Volkes Himmel“, wie Goethe das seinen Faust sagen lässt. Und den Kirchenräumen attestiert er bei Gelegenheit des Osterspaziergangs „ehrwürdige Nacht“, aus der die Menschen ins Fühlings-Freie aufbrechen.

Unsere Apostelkirche ist, was Farben angeht, sehr bescheiden ausgestattet. Ihre Ästhetik setzt nicht auf Farbe, sondern auf Ebenmaß. Farblich sparsam sagen uns die Paramente, die kleinen Deckchen am Altar, in welchem Abschnitt des Kirchenjahres wir uns befinden. Lila bezieht sich auf die Advents- und Passionszeit, ein grünes Parament sehen wir in der Zeit nach Pfingsten und die rote Farbe symbolisiert uns das Pfingstfest selbst und den Reformationstag. Der Blumenstrauß auf dem Altar ist ein Gruß von draußen und die beiden Bilder auf der Empore über dem Altar der Apostelkirche spiegeln uns den Kirchenraum, wie der Künstler ihn empfunden hat.

Halten wir uns also an die inneren Bilder unserer Phantasie. Paul Gerhardt hilft uns dabei:

Die Bäume stehen voller Laub / das Erdreich decket seinen Staub / mit einem grünen Kleide; / Narzissus und die Tulipan / die ziehen sich viel schöner an / als Salomonis Seide.

Die Schöpfung, sagt Paul Gerhardt, ist voller Farbe. Man muss sich jetzt ja nur mal umsehen und entdeckt Löwenzahn-Blüten in jeder Bodenritze, wo nur ein wenig Erde zum Wurzeln ist, die Schrebergärten sind voller Blumen und die Magnolien waren die ersten Blüten-Bäume im März. Zur Schöpfung können wir auch die Künste zählen, und hier vor allem die Malerei. Es gibt ja geradezu farbbesessene Maler: van Gogh, die Impressionisten oder Picasso in der blauen Periode.

Die Welt ist farbig genug. Es ist schon richtig, dass wir uns in unseren Kirchen aufs gesprochene und gesungene Wort verlassen. Hier und da werden uns Worte und Lieder bunte, vertraute, verheißungsvolle Bilder vermitteln. Die bringen Trost, Freude und Sehnsucht. Und das ist viel.

Hans Erlinger